Bismarck 02
wozu also die Armeereform?« Der König horchte unwillig auf. »Das sagt derselbe Mann, der daneben Frankreichs Kriegsbedürfnis schildert, worin er vielleicht Recht hat, und eine neue polnische Revolution in Aussicht stellt, worin er töricht phantasiert. Goltz hat in Kissingen, wie ich weiß, entsetzlich auf unsere Politik geschimpft. Auch er verfängt sich in dem Wahn, wir müßten die deutsche Vereinsmeierei mitmachen. Heute sollen wir wohl mit Augustenburg, Koburg, v. d. Pforten alle Großmächte herausfordern und tun, was die national-liberalen Schwätzer nicht lassen können. Er mißtraut Österreich, glaubt aber doch, es werde zu uns halten, wenn wir gegen Europa den Augustenburger stützen. Der Unglückliche! Als ob die 20 Prozent Deutsche je Österreichs Politik beeinflussen könnten! Was Sie von Goltz' Vorschlägen zu halten haben, werden Eure Majestät schon daraus erkennen, daß sie mit Beust, Dalwigk, Pforten konform laufen. Eins aber sage ich: ein Gesandter hat nicht selbständige Politik zu treiben.«
»Wollen Sie, daß er geht?«
»Keineswegs. Der königliche Dienst geht voran, wir können keine Kapazität wie ihn missen. Aber er darf nicht Umtriebe stiften.«
»Ganz meine Meinung. Ich ermächtigte Sie, ihm – wie sagt man doch – einen Rüffel zu geben.«
Vor Aktschluß trat mal wieder, um einen effektvollen Abgang zu erzielen, der französische Gesandte Talleyrand auf, der nicht umsonst einen so höllisch berühmten Diplomatennamen der guten alten Zeit führen wollte. »Wir sind etwas erstaunt, daß Sie Ihrerseits die Dänensachen noch immer nicht vor unseren Pariser Kongreß brachten. Sie gaben doch, irren wir nicht, unserem General Fleury ziemlich bindende Versicherungen.«
»Kein unbedingtes Versprechen, erlaube ich mir festzustellen. Über Pourparler kam die Angelegenheit nicht weg. Man sollte mich nicht drängen, denn noch scheint mir dies Geschwür für diplomatische Kaltwasserbehandlung nicht reif.«
»Ein hübsches, obschon nicht appetitliches Gleichnis! Lord Clarendon hat es anders ausgedrückt, Sie wissen doch? Nicht von der polnischen Fackel, sondern dem Holsteiner Streichholz drohe die europäische Brandstiftung.«
»Ein schlechter Prophet! Maßlose Übertreibung! So schlimm kann und wird es nicht werden. England überhaupt hat gut reden. Es findet sich leicht in Abkühlung gegen Frankreich, das Meer liegt dazwischen, wir aber sind Nachbarsleute, uns trennt nur der Rhein, und mich leitet immer der Wunsch, Frankreich gefällig zu sein. Deshalb unterstützte ich und empfahl den Kongreß. Sie werden jedoch sehen, daß England nicht will, d. h. sich nicht die Hände binden will. Ach, da sind noch andere Schmerzen!« seufzte er. »Sie überbringen mir wohl irgendeine Frage Ihrer Regierung, der ich die Ehre Ihres Besuches verdanke?«
»Ja, Herr Drouyn de l'Huys fragt an, wer denn nun eigentlich als Bundesorgan gelten solle, der österreichische, preußische oder Bundestagsvertreter? Darin erkennen wir eine Hauptsorge, die uns am Kongreß beschweren würde.«
»Wie richtig erkennen Sie die deutschen Angelegenheiten! Für den Bund wird der Bayer, v. d. Pforten, das große Wort führen wollen. Kostenpunkt 200 000 deutsche Bajonette. Aber Österreich und Preußen haben zusammen 600 000. Es wäre also spaßhaft, wenn wir uns vom Gewicht der Kleinstaaten erdrücken ließen.«
»Das sehe ich ein. Doch die Bevölkerung in Preußen und Deutschösterreich besteht doch auch aus lauter Anhängern des Herzogs Augustenburg.«
»Das sind so Redensarten. 90 Prozent des Volkes kümmert sich um nichts dergleichen. Agitatorenschwindel und Pressemache. Dieser würdige Prätendent und Thronkandidat geht wie eine Fahne von Hand zu Hand, bei den Demokraten und den Partikularisten. Die Kleinstaaten stochern natürlich emsig an diesem Feuerbrande, der ihnen ein traulich warmer Herd für ihre Majoritätsbeschlüsse werden soll. Bei Gott, ich werde ihnen viel Eimer Wasser darüber gießen oder selbst ein anderes Feuerchen anzünden. Solange ich auf diesem Posten stehe, werden die Beust und Pforten uns ihre Stimmenmehrheit nicht aufdrängen. Dem Buchstaben der Bundesakte stelle ich den Geist entgegen. Der Buchstabe tötet und die Lächerlichkeit tötet, und hier beides zusammen.«
Er hat wieder mal seinen eruptiven Anfall! dachte Talleyrand. Und was schaut bei solcher Offenheit heraus? Man bleibt so klug wie zuvor. »Vergessen Sie nicht, daß der König sich noch zu nichts entschloß und daß er lange
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