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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Dänemark beistehen gegen deutsche Vergewaltigung, was freilich beim frommen Wunsche blieb. Die wahrhaft deutschfreundliche pangermanisch« Gesinnung der Dänen – alle Skandinavier sind Französlinge, was freilich echtgermanisch ist – werden Alexandra von England und die künftige Zarenewna von Rußland uns schon bekunden. Ach, die Damen sind Preußens Unglück seit Friedrich dem Großen, wo zwei Dirnen, die Zarin und die Pompadour, und eine fromme Mutter zahlreicher ehelicher Liebespfänder sich gegen den bösen kleinen Mann mit den Diamantaugen verschworen). Auf so sublimen Einfall wie die skandinavische Union, die ohne viel Federlesens herzustellen eine Kleinigkeit gewesen wäre, kommt natürlich nicht ein Kleingeist wie der Herr Ministerpräsident. (Dieser mag zwar bei seiner Reise nach Skandinavien nur oberflächlich den Tatbestand festgestellt haben, aber irgendwie muß er ihm doch wie jedem, der Skandinavien kennt, zum Bewußtsein gekommen sein: Daß die eigentlichen Nordgermanen gemeinsam über den »falschen Danske«, der Norweger dagegen über den »hochnäsigen Schweden«, der Schwede über den »plumpen, frechen Norweger« schimpft und der Däne, Deutschem näher als er Wort haben will, seinen skandinavischen Bruder ironisch belächelt. All diese Germanen sind hochbegabt, individuell herrliche Menschen, der Durchschnittsstand der Bildung übertrifft selbst den in Deutschland, man muß sie lieben und bewundern, diese echten Germanen, aber unter sich sind sie geradeso zerfallen wie einst die Deutschen, und nur die germanische , nicht die skandinavische Union, kann allgemeine Verbrüderung erzielen. Die Idee des Herrn Professor – pardon, später Geheimrat – Virchow entstammt nach damaligem Stande der Dinge dem Irrenhaus. Diese Union, damals unmöglich und heute fast auch, würde damals vor allen Dingen deutschfeindlich gewesen sein.)
    Nach dieser wunderbaren Expektoration versenkte sich der Herr Professor (pardon, später Geheimrat) in die Nichtswürdigkeit des pp. Bismarck. Dieser »schädigt in gewalttätiger und verderblicher Weise die heiligsten Interessen Deutschlands und Preußens«. Wieso? Nun, ganz einfach! Als der Mensch in sein Amt eintrat, hatte er noch sozusagen eine Persönlichkeit und eine »gewisse Politik«, die antiösterreichische. »Doch jeden Tag, den er länger auf dem Ministerstuhl sitzt, verfällt er mehr dem Banne der konservativen Partei.« Sensation bei den Konservativen. Das war ihnen eine schmeichelhafte, aber völlig neue Offenbarung. Virchow donnert weiter: Quousque tandem! Dieser Selbstverleugner wolle nicht mehr selbständige Politik treiben. »Er ist dem Bösen verfallen und wird nicht wieder loskommen.« (Otto dachte in seinem Gemüte an sein Wort: Wenn ich vom Teufel besessen bin, ist's ein teutonischer Teufel.) Großmachtstellung Preußens, von der er und seine Leute schwätzen? Er wollte gleich nach Paris gehen und sich majorisieren lassen. (Haben Sie 'ne Ahnung!) Bei jeder Drehung europäischer Verwicklung bleibt er zu Hause, so wird er jetzt für Schleswig internationale Beschlüsse anrufen. (Kein Engel ist so rein, laß dir dies Kind befohlen sein.) Nach jeder Schlacht wird dieser Bismarck fragen: »Wie denken die Großmächte darüber?« Denn ihm fehlt jedes leitende Prinzip, er stürmt ohne Kompaß in das Meer auswärtiger Verwicklungen hinein. (Wie schön gesagt! Es geht doch nichts über physikalische Gleichnisse.) Um es kurz zu sagen: er hat eigentlich gar keine Politik und keine Ahnung von nationaler Politik. »Das ist ja eben seine Schwäche, er hat kein Verständnis für nationales Wesen.« Ungeheurer Beifall, der Abgeordnete wird gefeiert. Als ihm Otto kühl erwiderte: »Der Herr Abgeordnete hat überhaupt keine Ahnung von irgendwelcher Politik,« erhob sich ein Schrei von Zorn und Hohn, » Flectere si nequeo superos, Acheronta movebo! Wenn Sie uns das Geld nicht geben, so werden wir's nehmen, wo wir es bekommen.« Neues Geheul und Majorität von 275 gegen 51, gegen den Heereskredit, dazu ein Ausschuß von 36 Mann, die gewaltig »Deutsche in allen Ländern« gegen den »bösen Willen des einen und die Schwäche des anderen« aufriefen. Am anderen Tage Auflösung der Kammer.
    *
    Unheimliches Gerücht verbreitete sich in inneren Kreisen über ein kurzes symbolisches Gespräch, das der Ministerpräsident in Kürassieruniform mit dem italienischen Gesandten Graf Launey geführt haben soll. Das Gerücht hatte den seltenen Vorzug, wahr zu sein. Ein völlig

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