Bismarck 02
unbegreiflicher Vorgang. Otto trat im Gespräch nahe an Launey heran, lockerte dessen Galanteriedegen und stieß dann die Klinge in die Scheide zurück: »Das Schwert Italiens.« Der Italiener, verdutzt, aber mit Geistesgegenwart das Sinnbildliche erfassend, murmelte halblaut: »Sie spüren keine Lust zum Gebrauche dieser Waffe, scheint es. Sie wählten einen anderen Waffenbruder.«
»Wählten? Den haben wir gemietet.«
»Ah! Wird er bezahlt?«
» Il travaille pour le roi de Prusse. « Ein Blickwechsel, beide gingen auseinander. Die scheinbare Unvorsichtigkeit hatte natürlich guten Grund. Österreich konnte nicht mehr zurück, Italien mußte aber aufgeklärt werden, daß kein wirklicher Systemwechsel erfolgt sei und nach wie vor beide nach nationaler Einheit ringenden Staaten aufeinander zu rechnen hätten.
Talleyrand hatte Wind bekommen. Er versuchte eine gelinde Daumenschraube anzusetzen. »Habe ich wirklich recht gehört, was Sie da Launey andeuteten?«
»Das bestätige ich Ihnen Wort für Wort.«
»Bei solcher Offenheit verzeihen Sie wohl die Frage: hat Preußen den Besitz von Venetien an Österreich verbürgt?«
»Das ist glatt erfunden.«
»Sehr interessant. Dann verzeihen Sie eine andere Frage. Schleswig-Holstein ist ein fetter Bissen. Sparen Sie den für den Augustenburger auf?«
Kurz und derb kam die Antwort: »Nein!«
Doch der Franzose ging kopfschüttelnd weg. Lauter Theatereffekte! Blageur! Er tut, als hätte er das Heft in Händen, und dabei sagt alle Welt, er werde bald erledigt sein und durch jemand ersetzt werden, den stärkeres Nationalempfinden beseelt.
»Mit Scham und Erbitterung sieht das deutsche Volk die Truppen Österreichs und Preußens vordringen,« hatte der patriotische Ausschuß gefaselt, jetzt drangen die Verbündeten Anfang Februar über die Schlei. Bei Overselk warf die »eiserne Brigade« Gondrecourt die Dänen über den Haufen, deutsch-böhmische Jäger in grauen Überröcken und Hüten mit Spielhahnfeder vorauf. Danebrogs fielen in ihre Hände, das schwarzgelbe Banner wurde siegreich am Königshügel aufgepflanzt. Die Preußen aber zogen bei Missunde, wo stärkere feindliche Stellungen den Übergang verwehrten, eher den kürzeren. Da zeigte sich, wie wenig man auf einzelne Eingangsgefechte geben darf, deren Erfolg sich nach Zufälligkeiten richtet. Die Österreicher, kühn und schneidig vorgehend, bekamen einen hohen Begriff von ihrer überlegenen Tüchtigkeit. Als die Dänen die allzu ausgedehnten Danewerke räumten, die Preußen kampflos in Flensburg einzogen, die Weißröcke aber erneut bei Oeversee sich blutig färbten und Gablentz die Dänen aufs Haupt schlug, schienen Löwenanteil und Lorbeer des Krieges den Österreichern zugefallen. Vom Zündnadelgewehr hörte bisher kein Mensch etwas. Die Brandenburger und Westfalen Prinz Friedrich Karls rückten vor die Düppeler Schanzen, die Garden, bei denen sich später der Kronprinz befand, nach Kolding an die jütische Grenze, wo einst junges deutsches Blut der Kieler Turner und Studenten floß.
Wieder klopfte Frankreich an die Tür. »Wie man hört, sind Eure Exzellenz zur Einverleibung zwei so schöner Provinzen entschlossen?«
»Ich? Nun ja, es wäre des Aufwandes wert. Doch was habe ich zu sagen! Fragen Sie Herrn v. Schleinitz, den Berater der Königin! Die Feindseligkeit bei Hofe legt mir drückende Fesseln an. Und meine Aufgabe ist ohnehin so schwer und so undankbar. Wie sehne ich mich nach Ruhe! Lange kann diese Friktion nicht dauern. Ich habe das Bedürfnis, mich vor allen Intrigen in das Privatleben zurückzuziehen.«
»O wie bedauerlich! Machen Sie doch lieber einen Strich durch das Ganze und gravitieren Sie nach der Augustenburger Seite!«
»Für einen Jammermann solchen Schlages unser schönes Geld und das kostbare Soldatenblut? Es widerstrebt einem wie ein Landesverrat. Aber ach! mein König und Herr ist uneigennützig wie kein anderer Monarch. Und wird das übrige Europa uns solchen Machtzuwachs gönnen? Nur mit Kompensationen. Deshalb bin ich für Personalunion der Herzogtümer mit Dänemark.«
»Wie beliebt? Diese Wendung ist mir neu.«
»Ja, wenn's nach mir geht, tasten wir Dänemark nicht an. Natürlich wird man mich einen Narren schelten, wenn meine Absicht gelingt, und mißlingt sie, dann heiß ich Landesverräter. Das ist der ganze Ertrag, den ich erwarte. Ich mache mir keine Illusionen, daß meine Politik eine verfehlte ist, aber ein Schelm gibt mehr als er hat.«
Talleyrand schenkte ihm sein
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