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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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ihnen in seiner Landwehruniform sich präsentiert und ihnen gut zuredet. Sie haben ihn alle sehr lieb. Ein höchst agiler Herr, das muß man ihm lassen, und gar ein charmanter Gesellschafter.«
    Zuletzt gelang es Otto wirklich, die Bundesexekution durchzusetzen, vor deren Androhung Dänemark die Waffen streckte und Schleswig-Holstein seine alten Freiheiten zurückgab. Nach der letzten entscheidenden Sitzung gab es eine förmliche Ovation für den Vertreter Preußens, dessen Festigkeit und Klugheit dies dem Bundestag schmeichelhafte Ergebnis herbeiführte. »Meine herzliche Gratulation!« hörte er von geschworenen Gegnern wie Reinhard und den anderen Preußenfressern; Rechberg beglückwünschte ihn süßsauer: »Sie sind berechtigt, den Löwenanteil des ehrenvollen Erfolges zu beanspruchen.«
    Preisend mit viel schönen Reden gingen so die deutschen Kleinstaaten um den heißen Brei herum, den sie Preußen einrühren wollten. Otto ließ sich durch kein scheinbares Entgegenkommen täuschen.
    »Sehen Sie, lieber Freund, das gibt einmal einen großen Krach«, schüttelte er am großen Kamin im Arbeitskabinett mit den gelben Tapeten, wo zwei gepolsterte Bänke entlangliefen und der geräumige Sims die mitgenommene Rheinweinflasche und die Römer trug, dem guten Jakob Becker sein Herz aus. Das war ein herzlich schwacher Maler, genoß aber als Schwager eines ebenso mittelmäßigen kleinen Poeten, Müller von Königswinter, das Ansehen einer Künstlerfamilie, also einer beliebten Gesellschaftsstaffage der höheren Stände. Ob solche braven Künstler gut malen, tut nichts zur Sache, da die Laienkreise dies ja doch nie beurteilen können. Haben sie liebenswürdige Gattinnen und Töchter, sprechen sie gewählt über die Künste und bewegen sich mit entsprechenden Formen, dann sind sie enfant gaté . Wie interessant, einen so bedeutenden Künstler in unserer Mitte zu haben! Neulich hat die Offenbacher Zeitung ihm ein Loblied gesungen, er hat auch einen Orden vom Kurfürsten von Hessen, dessen Porträt er malte. Von solchen Lokalberühmtheiten hat jede deutsche Mittelstadt irgendeine, draußen in der Welt kennt man sie zwar nicht und will nichts von ihrem Können wissen, aber was geht das engere Kreise an! So schätzte der so kritische Schönhauser den als Menschen vortrefflichen Professor Becker sehr hoch und hielt das Porträt, das der gute Mann von ihm verfertigte und das feierlich im Empfangszimmer Johannas hing, für ein Meisterwerk.
    »Preußen wird eines Tages die Majoritätsbeschlüsse nicht mehr anerkennen, die sie uns wie ein Netz über den Kopf warfen. Sie spinnen ein Leichenhemd für unsere Unabhängigkeit. Wer das Unkraut nicht ausjätet, kann sich nicht wundern, wenn es in Samen schießt und wächst.«
    »Aber wie kann man es ausjäten? Es sind doch wohl böse Brennesseln dabei.«
    »Indem man Fausthandschuhe anzieht. Wir werden einmal den Bruch vollziehen müssen, vielleicht zu ungelegener Stunde. Wie das im Leben so geht, werden wir dann das Karnickel sein mit dem Schein des Unrechts. Wie oft stellt sich der Provokateur nachher als der Überfallene dar!«
    »Wird der Regierungswechsel in Preußen, denn so darf man's wohl nennen, Sie in Mitleidenschaft ziehen?«
    »Möglich. Das Ministerium Manteuffel hat die Berliner Presse einstimmig gegen sich, und seine Absetzung könnte zu meiner Versetzung führen, irgendwohin.«
    »O, das wäre schrecklich! Wie würden wir Sie vermissen!«
    »Personaländerungen haben im Grunde wenig zu bedeuten. Zuletzt kreiselt doch alles wieder in den alten Radius hinein, und nichts wird so schwarz, wie man fürchtet, nichts so rosig, wie man hofft.« Sein Auge schien sich in die bläulichen Ringel des Zigarrendampfes zu vertiefen, die lange, weiße Asche zu bewundern, die seine Havanna als Kennzeichen feinen Krautes an der Spitze hervortrieb, oder über die knisternden Flammenscheite des Kamins hinzugleiten, die bald verkohlten, bald rotzüngelnd loderten. Aber sein inneres Auge sah ganz wo anders hin, visionär, in Empfängnis schauender Zukunftsgedanken. –
    Seinen gläubigen, jungen Lehrling von der Kavallerie verlor er schon lange. Betrübt meldete er sich eines Tages: »Abkommandiert, d. h. zum Regiment zurückversetzt.«
    »Verlust für mich, Gewinn für Sie. Ein gesundes, junges Blut fühlt sich unter Pferden und Säbeln wohler als unter verstaubten Akten. Na, seien Sie beim morgigen Ball noch mal Vortänzer und dann sagen Sie den teuren Bundeslämmern mit Blume und Band

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