Bismarck 02
vereinbaren.«
Rechbergs Wutanfall wich einer vernünftigen Einsicht. »Wissens«, bekannte er zu dem Mecklenburger. »Wir Österreicher san rabiat, aber gute Kerle, und der Bismarck ihst auch rabiat, aber 'n guter Kerl. Machen Sie ihm meine Exküsen, wenn er manifestiert, daß er mir keinen persönlichen Affront zufügen wollte. Unter Kavalieren ist die Sache dann beigelegt. Wir wollen der Welt nicht solchen Spektakel vorsetzen. Ich will mich mäßigen, aber er soll's auch.«
Ein eigentümlicher Vorfall veränderte ein wenig das Verhältnis von Hund und Katze, wie der Preuße und Österreicher bisher zueinander standen.
»Ich bitte, mich einen Moment zu entschuldigen, ich muß Toilette wechseln«, empfing Rechberg seinen Besucher, der etwas Geschäftliches zu bereden hatte. »Da lesen Sie inzwischen die Depesche aus Wien, sie ist ja offiziell für Ihre Einsicht bestimmt. Ich soll in nächster Sitzung mein Votum für Ihren Antrag einlegen.«
Als er das Zimmer verließ und Otto das Schriftstück überflog, sah er sofort, daß Rechberg in der Eile einen falschen Griff tat und ihm einen Brief über den gleichen Gegenstand auslieferte, worin man den Präsidenten mit heimlicher Bearbeitung der übrigen Mitglieder zur Irreführung des Preußen betraute. Offenbar lag auf dem Arbeitstisch des Gesandten eine andere Depesche sehr verschiedenen Inhalts, die er Otto hatte zeigen sollen. Rechberg kam zurück, munter und vergnügt, und begegnete einem ernsten Blick seines Rivalen.
»Hier kam wohl ein Irrtum vor?«
»Wie das?« fragte Rechberg, noch ganz aufgeräumt.
»Lieber Kollege oder richtiger, lieber Graf, ich spreche jetzt als Privatmann, als Edelmann zum Edelmann unter Diskretion. Sie haben leider ein unliebsames Versehen gemacht.« Er hielt ihm das Blatt hin. Rechberg wurde rot und blaß. »Der preußische Gesandte wird vergessen, was er gelesen hat. Sie wollten mir den Brief nicht geben, also geben Sie ihn nicht, sein Inhalt blieb mir unbekannt.«
»Sie versprechen das? Auf Kavaliersparole?« fragte jener mit dumpfer Stimme.
»Mein Wort darauf. Ich habe die Ehre.« –
Rechberg sah ihm düster nach. Ob der grimme Preuße dazu fähig ist? Übermenschliche Zumutung! Wir Diplomaten sind alle Klatschweiber, und mein Fauxpas wird ihm schon Anlaß geben, mich bloßzustellen.
Als aber der Fall offiziell verhandelt wurde und aus allen Berichten, dem Benehmen in Berlin und verschiedenen ihm hinterbrachten Gesprächen mit anderen Bundesgesandten, wodurch er dem Mitwisser eine Falle stellen wollte, die unbedingte Worttreue Ottos hervorging, bekam Rechberg eine stille Hochachtung. Ein verflucht anständiger Mensch, der wie das Grab über eine unfreiwillige Blöße des Gegners schweigt!
Er ging plötzlich auf seinen Sachfeind zu und drückte ihm warm die Hand. »Wir sind nun mal verdammt, aufeinander loszuschlagen. Das ist meine Pflicht, und Sie tun die Ihre. Aber ich muß Ihnen ausdrücken, daß Sie mein persönliches Vertrauen in hohem Grade erwarben. Vielleicht stehen wir uns mal nicht als Widersacher gegenüber, die Lagen ändern sich, und da seien Sie sicher, daß Sie an mir stets einen guten Freund haben werden, der Ihnen gern zu Diensten ist.«
Otto schüttelte ihm die Hand und sagte etwas Verbindlich-Unverbindliches. Aber er hatte das Gefühl, als ob Rechbergs Angebot sich noch erfüllen könne. Wer weiß, am Ende trat er einst an Buols Stelle, und da hätte er wohl Gelegenheit, sich irgendwie zu revanchieren. Anständigkeit bezahlt sich immer. – –
»Ach, das ist die ›Freundin‹ der Frau v. Bismarck!« Der sächsische Militärbevollmächtigte v. Spiegel strich sich martialisch den Schnurrbart, indem er mitleidig auf einen kleinen verwachsenen Herrn herabschaute, der für Johanna die Notenhefte umblätterte. »Ein höherer Telegraphenbeamter, nicht? Ein Herr v. Obernitz?«
»Ja, eine schöne Seele, ein ausgezeichneter Mensch«, erwiderte der preußische Gesandte v. Balan, der soeben den Grafen Seckendorf in Stuttgart ersetzte und dem zu Ehren sein Frankfurter Kollege ein Festessen gab. »Den Spitznamen einer Hausfreundin gab man ihm weniger wegen seiner Körperschwäche als wegen seiner weiblichen Sanftmut und Freundlichkeit. Die mütterliche Güte unserer allverehrten Wirtin nimmt nicht wunder, aber unser gefürchteter Riese bemüht sich mit gleicher zarter Sorgfalt um den armen Krüppel. Sehen Sie ihn dort an, wie er am Klavier sitzt, versunken in das seelenvolle Spiel seiner Gattin! Ist das wirklich
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