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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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verschwand.
    Napoleon hat wohl Wind von der Klausel »internationale und unabhängige Existenz«, die wir den Süddeutschen bewilligen wollen, wobei wir ihm noch Komplimente machen können, es geschehe aus Complaisance für seine Verwendung. Das hält er für das Nadelöhr, in das er einfädeln kann. Er wird sich höllisch täuschen. Gerade durch Preußens Siege wuchs in Süddeutschland das Nationalgefühl, die Rheinbundschwangerschaft ist vorüber, guter Hoffnung ist nur er selber, aber sie wird nur von Illusionen entbunden werden. Heute geht Benedetti mit Extrazug nach Paris, morgen ist Ministerrat und Marschall Niel wird schwerlich Kriegsbereitschaft melden. Ihr Chassepot haben sie noch lange nicht in Ordnung, die Franzosen werden hübsch still bleiben. Moltke möchte schon jetzt den Krieg, doch das ist ganz verfrüht, noch haben wir die Separatabkommen mit den Süddeutschen nicht in der Tasche. Wir müssen uns in die Veränderung der deutschen Verhältnisse erst einleben, auch brauchen wir einen Nationalkrieg mit Nationalzorn, und dazu liegt heute noch keine Veranlassung vor. – Am 7. August befand sich wieder der Journalist Vilbort zur Teestunde spät bei Bismarck und wollte sich um 10 Uhr verabschieden, als Keudell eintrat: »Graf Benedetti wünscht Eure Exzellenz dringend zu sprechen. Er reist morgen früh nach Paris.« Er war also einen Tag länger geblieben, auf neue Instruktion wartend.
    »Sehr gut, ich komme sogleich, d. h. ich lasse bitten in mein Arbeitskabinett. Herr Vilbort, nehmen Sie doch eine Tasse Tee im Salon, ich werde bald zu Diensten stehen.«
    Vilbort und Keudell unterhielten sich zwei Stunden, der Minister kam nicht. Es schlug Mitternacht. Beide sahen sich an. Es wurde 1 Uhr morgens, ehe Otto in den Salon zurückkehrte. Er lächelte freundlich, man sah seiner heiteren Stirne an, daß die Verhandlung mit Benedetti zu voller Zufriedenheit verlief. »Nun wollen wir uns aber etwas stärken mit Münchner Hofbräu. Herr Vilbort, ich empfehle Ihnen dies Kraut. Bei mir raucht man gute Zigarren.« Er plauderte leicht und fröhlich über allerlei Gesellschaftliches, die verschiedenen Sitten in Deutschland, Frankreich, Italien. Und doch wußte Vilbort, daß Gerüchte in Berlin umliefen, es könne zum Kriege mit Frankreich kommen. Als er aufbrach, erlaubte er sich die Frage: »Wollen Exzellenz eine sehr indiskrete Frage gestatten?«
    »Ich gestatte alles, mein lieber Herr Vilbort. Nur zu!« Jovialer und sorgloser konnte man sich nicht geben und Vilbort schöpfte die Hoffnung, es sei jede Mißhelligkeit ausgeglichen.
    »Nun denn, bringe ich Krieg oder Frieden nach Paris?«
    »Den Frieden, die Freundschaft!« beteuerte Otto mit lebhaftem Nachdruck. »Dauernde Freundschaft! Ich baue fest darauf, daß Frankreich und Preußen fortan Hand in Hand an der Spitze der Zivilisation marschieren, ein herrlicher Dualismus der Intelligenz und des Fortschrittes.«
    Nachdem Vilbort ging, veränderte sich Bismarcks Ausdruck und er instruierte Keudell trocken: »Es wird gut sein, wenn Sie morgen früh Vilbort vor seiner Abreise aufsuchen und ihn aufklären. Der Mann hat Einfluß und es ist zweckmäßig, daß man die Wahrheit in Paris erfährt. Nur darf sie nicht aus meinem Munde kommen, Sie müssen so tun, als sprächen Sie privat aus persönlicher Gewogenheit und nicht offiziell.«
    »Werden Sie mich später desavouieren?« erkundigte sich Keudell im voraus.
    »Dazu wird kein Anlaß sein. Sagen Sie also folgendes: ehe zwei Wochen um sind, wird der Krieg am Rhein losgehen, wenn Frankreich darauf besteht, deutsches Gebiet von uns zu fordern, was wir ihm weder geben können noch wollen. Nicht einen Zoll breit deutschen Bodens treten wir ab. Selbst wenn wir wollten, könnten wir nicht, denn ganz Deutschland würde gegen uns aufstehen. Da ziehen wir vor, daß es lieber gegen Frankreich aufsteht.«
    »Was sagte denn Benedetti?«
    »Die alte Leier. Drouyn de l'Huys habe ihm verschärfte Instruktion gegeben: entweder Mainz oder der Krieg. Ich habe ihn gebührend abgefertigt.« –
    Es kam, wie er vorhersah. Der gallische Hahn krähte plötzlich nicht mehr überlaut, sondern kleinlaut. Es war ein indiskretes Mißverständnis von l'Huys, nicht vom edlen Louis, dessen Krankheit und Vichy-Kur man benutzt hatte, gegen seinen Willen zu handeln. Majestätisch krähte Chanteclair in einem offenen Briefe des Kaisers an Herrn Lavalette vom 12. August. Das große Frankreich bedarf nicht unbedeutender Zusätze und Zutaten von

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