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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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ziemlich kalten Pflichtmenschen das Herz voll wurde. Aber seiner Abneigung gegen Moltkes Strategie (äußere Linien) ließ er in dem Briefe die Zügel schießen, gewürzt mit etwas persönlicher Gereiztheit, hier aber benahm sich der große Schweiger wie ein wahrer Gentleman und weigerte sich, den Brief zu lesen, der ja nicht für ihn, sondern für Frau v. Blumenthal bestimmt gewesen sei, und zeigte sich erhaben über jeden kleinlichen Ärger. War es auch nicht ganz wahrhaftig, wenn Blumenthal in sein Tagebuch schrieb, daß er den hochverehrten Moltke am wenigsten habe kränken wollen, so schöpfte er doch aus dem Vorgange eine erhöhte Achtung. Für später wichtig! Der König selber amüsierte sich nur über den Zwischenfall.
    »Wer hätte gedacht, daß Blumenthalchen eine solche Kratzbürste wäre!«
    »Du lieber Gott, Majestät«, entschuldigte Otto. »Er schrieb an seine Frau. Da sind wir allzumal Menschen. Jeder will sich seiner Eheliebsten in besten Farben malen und streicht sich heraus, selbst wenn er sonst kein eitler Narr ist. Der arme Blumenthal wird sich gehörig fuchsen, denn gerade ein Mann von reizbarer Eitelkeit empfindet es bitter, wenn er anderen als eitel erscheint.«
    »General v. Blumenthal ist ein so ausgezeichneter Mann,« entschied Moltke ruhig und würdig, »daß man es wohl hingehen lassen kann, wenn er sein hohes Verdienst vielleicht etwas schroff betont. Selbstgefällig sind wir Menschen wohl alle, wir lassen es nur nicht herauskommen. Wohl ihm, daß er eine Frau hat, der er sich ganz offenbaren kann!« Es zuckte leicht in dem marmorkalten Gesicht. Man schwieg, da man wußte, wie schwer er an der unvernarbten Wunde litt, sein junges Weib früh verloren zu haben, das einzige Wesen, das er je geliebt und noch liebte.
    Nicht ohne Ergriffenheit sann Otto darüber nach, wie Weltereignisse und Privatleben sich kreuzen. Er selbst – wenn Nanne stürbe, wäre es ihm nicht schmerzhafter als eine verlorene Schlacht von Königgrätz? Schwer zu beantwortende Frage! –
    Bei Empfang des Königs illuminierte Berlin, und als Otto aus dem königlichen Wagen stieg, verkündete ihm ein gewaltiges Hurra, daß die Zeit seiner Unpopularität vorüber sei. Als er Frau und Kinder in seine Arme schloß, hätte er am liebsten, fern den adulierenden Blicken, das Auge gen Himmel gerichtet: Endlich der Lohn so langer Mühen!
    *
    Der Friedensvertrag sollte im August zu Prag definitiv in Kraft treten. Als er in seinem Arbeitskabinett zwei Tage nach der Ankunft die Sonderverträge mit den Süddeutschen erwog, wobei er jedes persönliche Verhandeln mit dem Württemberger Varnbüler wegen dreister Preußenfresserei abgelehnt hatte, meldete sich plötzlich der Genius der Kompensation oder Revanche in Gestalt eines freundlich-ernsten Monsieurs.
    »Mein teurer Graf Benedetti, was verschafft mir das Vergnügen Ihres angenehmen Besuches?«
    Der Franzmann zeigte ein offenes Kuvert. »Ich bitte, diesen Brief an Eure Exzellenz entgegenzunehmen, wobei als Anlage ein Geheimvertrag in drei Artikeln. Mein Gebieter sendet ihn aus Vichy, wo er sich zur Kur aufhält. Ich bin nur der demütige Träger und Überbringer seines Willens.«
    »Darf ich fragen, ehe ich lese, womit ich Ihnen dienen soll?«
    »Mit den Rheingrenzen von 1814. Außer den entsprechenden preußischen sind die bayrischen und hessischen am Rhein darin einbegriffen, wofür Preußen letztere Staaten nach Gutdünken innerhalb Deutschland kompensieren mag.« Diese ungeheure Unverschämtheit ließ Benedetti so liebenswürdig vom Stapel, als habe er ein Gespräch über Salondinge. Otto warf das Kuvert in eine Ecke.
    »Ich glaube zu träumen. Ihr Appetit scheint sich gesteigert zu haben.«
    »Durch Ihr Essen! Um ernst zu sein, die Dynastie wäre bei uns in Gefahr, wenn die öffentliche Meinung nicht durch Zugeständnisse Ihrerseits versöhnt wird.«
    »Soll ich Ihrer öffentlichen Meinung Hüter sein? Das wäre ein Krieg mit Revolution im Hintergrunde, und bei solchen Gefahren und Mitteln würde unsere Dynastie besser fahren als die Ihres kaiserlichen Herrn.«
    »Wir schweifen ab. Eure Exzellenz begreifen noch nicht den Charakter meiner Sendung. Dies ist ein Ultimatum. Sofortige Übergabe von Mainz oder unmittelbare Kriegserklärung.«
    Ohne eine Sekunde Zögern kam die Antwort wie aus der Pistole geschossen: »Sehr wohl, dann also Krieg!« Unter Diplomaten pflegt man sich nicht die Tür hinauszuwerfen, doch der Ton hatte die gleiche Bedeutung. Benedetti nahm seinen Hut und

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