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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Grenzerweiterung, über solche Begierden kleiner Seelen ist der Genius der Großen Nation erhaben. Was will sie denn? Freiheit, Fortschritt, Frieden, aller guten Dinge sind drei. Wir müssen Deutschland brüderlich helfen, sich in solcher Form zu gründen, wie es am besten den Interessen Europas entspricht.
    Otto hatte selten so gelacht wie über diese Rückzugskanonade. Ach, die Franzosen sind doch unser aller Meister im Schwindeln. Wie, sie steckten ihre Hand in unsere Hosentasche? Ja, weil sie darin ein Loch flicken wollten, keineswegs unsere Börse stehlen. Der mitternächtige Einbrecher schleicht ums Haus und brüllt: La bourse ou la vie , da zieht der Überfallene statt der Börse einen sechsläufigen Revolver und der arme Teufel von Räuber hat bloß eine alte Reiterpistole. Was kann er machen als Fersengeld geben und in sich hineinfluchen: Warte nur, ich komme wieder. Ich fürchte und hoffe, er wird halten, was er gelobt, den Schwur der Vergeltung, aber wenn er mit einem funkelnagelneuen Revolver wiederkommt, dann haben wir ein noch längeres Schießgewehr. –
    Als ein Adjutant des blinden Welfenkönigs in Nikolsburg ein persönliches Handschreiben an König Wilhelm überreichen wollte, bewog ihn Otto, den Empfang zu verweigern. »Gemütspolitik ist stets vom Übel, hier aber ein Verbrechen an der deutschen Nation, die von uns Frieden und Einheit erwartet. Privatrecht ist nicht Völkerrecht. Wir tragen die Verantwortung für das Recht des deutschen Volkes, ungeteilt zu leben unter überwiegender Hausmacht ihres Oberhauptes. Preußen muß so stark wie irgendmöglich sein.«
    »Nun gut! Nassau weine ich auch keine Träne nach. Mein hochseliger Vater haßte diesen Rheinbundstaat besonders. Übrigens war ja schon eine Nassauer Deputation bei mir, die um Annexion flehte, weil die Jagdpassion des Herzogs das Land verderbe.«
    So flog denn wirklich die altnapoleonische Zauberformel umher: die Häuser Hannover, Kurhessen, Nassau haben aufgehört zu regieren und die reiche Reichsstadt Frankfurt bildete in der Kraftsuppe noch einen Markknochen als Zugabe. Dagegen behielt Württemberg das kleine Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen und sein Minister Varnbüler suchte als lebhafter Schwabe seine früheren Sünden gegen Preußen dadurch gutzumachen, daß er, zu Gnaden angenommen, zu jedem Bündnis zu haben war und mit beiden Händen zugriff. Sobald dies am 13. August geschah, folgte Bayern bald nach, nachdem der siegreiche Staatsmann der Versuchung widerstand, Einflüsterungen des badischen Ministers Roggenbach zur Vergrößerung Badens durch die Pfalz und hohenzollerschen Traditionswünschen nach Wiedererwerb von Anspach-Bayreuth Gehör zu schenken. Nur Hessen-Darmstadt ließ man vorerst im Konzern aus, weil der gänzlich rheinbundsüchtige Dalwigk und der Großherzogliche Hof es sofort an Frankreich ausgeplaudert hätten. Den Ausbau des Militärvertrages mit Sachsen übertrug Otto seinem Jugendfreund, dem Wirklichen Geheimrat Savigny, der als letzter Gesandter am seligen Bundestag naturgemäß das Dezernat für innerdeutsche Angelegenheiten erhielt. General v. Stosch, der sich für jede Diplomatie eignete, führte die Dinge später zum Abschluß in einer für Sachsen anscheinend zu günstigen Form. Es entging jedoch Otto nicht, daß der neue König Albert, ein hervorragender Kriegsmann, gewissermaßen aus fachmännischen, soldatischen Gründen jetzt ehrlich zu Preußen hinneigte. Der entlassene Minister Beust fand zwar bald sein Wiener Asyl durch Erhebung zum Reichslenker versüßt, und von seiner Ranküne konnte man sich nichts Gutes versehen, wenn er Österreich jetzt in gleichem Sinne leitete wie vordem Sachsen. Doch Otto vertraute mit Recht auf den heilenden Einfluß der Zeit und Gewohnheit, um jeden vererbten Zwiespalt mit Sachsen als Glied des Norddeutschen Bundes zu überbrücken.
    *
    Kaum eine Woche verging, als erneut das glatte Gesicht des großen französischen Diplomaten zu unerbetenem Besuch auftauchte. Diesmal tat er sehr geheimnisvoll. »Mein erhabener Souverän, immer bereit zu Mäßigung und Verständigung, versetzt sich in die Seele Eurer Exzellenz als des berufenen Gründers der deutschen Einheit und begreift die Unmöglichkeit für Sie, eigentliches deutsches Gebiet abzutreten.«
    »Diese Einsicht macht sowohl dem Geiste als dem Charakter des erhabenen Herrschers Ehre.« Otto schlug ein Bein übers andere und schickte sich zu gemütlichem Plauderstündchen an. Er sah, daß der naive Halbitaliener

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