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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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er.
    Otto wäre in seiner Nervenüberspannung fähig gewesen, vor dem jüngeren Manne niederzuknien und seine Hand zu küssen. Fast eine halbe Stunde banger Erwartung, dann schollen wieder die festen Tritte des blonden Siegfried draußen auf dem Gang, und er trat ein, Ottos Schriftstück in der Hand, das er ihm in die Hand drückte. »Es fiel sehr schwer, doch mein Vater hat zugestimmt.« Die beiden germanischen Recken sahen sich an, ein warmer Händedruck, dann ging der Kronprinz ruhig und freundlich von dannen. In diesem weltgeschichtlichen Augenblick, von dem die Welt nie erfuhr, solange er lebte und wo er sich um Deutschlands Geschicke unsterbliches Verdienst erwarb, war dieser Hohenzoller nicht nur ein edler und tapferer, sondern fast ein großer Mann und seines Vaters würdig. Denn aus Erkenntnis der Wahrheit und aus Gerechtigkeitsgefühl einem sonstigen Gegner die höchste Treue der Sachfreundschaft erweisen, dazu gehört nicht nur ein überaus vornehmer, sondern auch ein erleuchteter Sinn.
    Auf Ottos Schriftstück aber stand als Marginalnotiz die handschriftliche Urkunde: »Nachdem mein Ministerpräsident mich vor dem Feinde im Stich läßt und ich hier außerstande bin, ihn zu ersetzen, habe ich die Angelegenheit mit meinem Sohne besprochen, der sich dem Ministerpräsidenten anschließt. Daher bin ich zu meinem Schmerz genötigt, nach so glänzenden Siegen in den sauren Apfel zu beißen und einen so schmachvollen Frieden anzunehmen.«
    Ein stilles Jauchzen unsäglicher Erleichterung hob Ottos Brust. Mag mein tapferer, geliebter alter Herr mir zürnen, es tut mir weh, ihm solche Aufregung zu bereiten, aber auch er wird ja die Ernte dieser Saat in seine Scheuer einheimsen und dann werden wir alle drei das Werk ansehen, Deutschland, der König und ich, und siehe da, es war sehr gut.
    *
    »Sie haben mich zu sich beschieden, Herr Minister?« Benedetti zappelte innerlich vor Neugier, verdeckte es aber mit wohlwollend gleichgültigem Lächeln. Karolyi hatte sein Ausfragen ausweichend beantwortet, auch an Brenner legte er umsonst die diplomatische Pumpe an. »Wie weit gediehen die Präliminarien?«
    »Der Frieden ist soeben geschlossen worden, mit beiderseitiger Signatur«, feuerte Otto kaltblütig den Schuß ab.
    »Wie? Ich höre wohl nicht recht?« Benedetti sah einen Augenblick wie ein böser, alter Geizhals aus, dem man mit einer Kassette durchging oder dem ein Wuchergeschäft mißlang, dann strahlte er wieder jugendlich. »Aber das kann ja nicht sein. Frankreich mußte doch zugezogen werden als Vermittler.«
    »Dies gütige Anerbieten wäre gewiß mit Dank akzeptiert worden, sofern wir davon Gebrauch machen konnten. Es war jedoch nichts zu vermitteln, da die hohen Kontrahenten sich beiderseits mühelos verständigt haben.«
    Der Franzose verbiß seine Wut. Draußen vor der kalten Tür gelassen! »Der Friede selbst kann wohl noch nicht unterzeichnet sein, nur die Präliminarien.«
    »Nein, nur die letzten Formalitäten fehlen.«
    »Es wäre wohl indiskret, mich schon jetzt nach den Einzelheiten zu erkundigen? Die Kriegsentschädigung dürfte wohl hoch bemessen sein?«
    »Nein, sehr gering, etwa 150 Millionen Francs.«
    »Ah, ah! Und was wird Bayern zahlen?«
    »Das ist noch nicht abgemacht, wahrscheinlich 75 Millionen Francs.« »Welch milder Sieger! Und Sachsen geht frei aus?«
    »Das heißt, es tritt integer in unsern Norddeutschen Bund ein. Doch das alles werden wir wie zwei gute Freunde später besprechen, sobald erst die Sachen perfekt.« –
    Der Unwille des Königs hielt nicht lange an, bei gewissenhafter Prüfung würdigte er die Beweggründe seines Beraters und schmunzelte mit der ihm eigenen wohlwollenden Ironie: Es ist nicht leicht, unter einem solchen Minister König zu sein! Der setzt seinen Willen durch, aber zuguterletzt wird er wohl recht haben. Da wir beide nur eins im Auge haben, das Staatswohl, so gibt der Klügere nach und obendrein ist er selbst der Klügere. – Der große Herrscher wußte freilich, daß sein Manne ihn innig liebte und verehrte, und von einem so Gewaltigen geliebt zu werden, ist keine Kleinigkeit. Solche Ehrung, schmeichelhafter als jede andere, erhebt zugleich das Gemüt. So betrachteten die Burgundenkönige den grimmigen Hagen, auf dessen unbedingte Treue sie sich verlassen konnten, obschon er sie um Haupteslänge überragte. Hier freilich waltete ein wesentlich anderes Verhältnis, denn hier amtete Hagen nicht bei einem schwachen König Gunther, sondern bei einem weisen,

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