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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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allzeit verborgen. Mit fieberhafter Spannung erwartete er, als die Spiegelgallerie sich mit unzähligen Würdenträgern und hoher Generalität nebst Fürsten und Fürstenvertretern füllte, den feierlichen Augenblick. Er stand zur Linken des Königs, sehr bleich und sehr ruhig unter den Blicken aller Augen, die sich fast immer zuerst auf diese aufrechte Gestalt richteten, die wie von innerem Hebel unbeugsamen Willens gelenkt schien. Er trat vor und verlas die Urkunde, daß der König die Kaiserwürde annehme und fortan alle Nachfolger zur preußischen Krone den Kaisertitel führen und er und alle seine Nachfolger zur kaiserlichen Krone allzeit Mehrer des Reichs zu werden hoffen. Genaue Angabe des Titels war nicht nur vermieden, sondern der Ton dieser Urkunde just ein solcher, als ob ein »Kaiser von Deutschland« rede. Sofort trat der Großherzog aus der Vorderreihe und brachte ein Hoch aus auf – Kaiser Wilhelm schlechtweg ohne Angabe des Titels. Als aber der König von seiner Estrade herabstieg, nach Verklingen des brausenden Jubels, schritt er finster an Bismarck vorbei und reichte den hinter diesem stehenden Generalen die Hand.
    So stand der Schöpfer des Reiches ganz allein unter den Klängen des Hohenfriedberger Marsches und dem fernen Echo der Feuerschlünde, die einen Kaisersalut zum Invalidendom hinüberbrüllten, wo der letzte Römer in seinem Sarkophag erbebte. Wo der Sonnenkönig sich selbstverliebt im eigenen Strahl seines vergoldeten Rokokoolymp begaffte, spiegelten ›alle Glorien Frankreichs‹ die deutsche eiserne Herrlichkeit wider. Und der niedersächsische Donnergott, dessen Hammer diesen neuen Dom zurechtgehauen, dachte noch einmal an vergangene Niedrigkeit, wo er hier auf den fränkischen Cäsar wartete. Dann schritt er langsam hinaus zum Festbankett. Mit grämlich grauer Gesichtsfarbe lächelte er matt und gleichgültig, Fragen einsilbig beantwortend mit auffallend schwacher Stimme. »Er muß ganz erschöpft sein«, flüsterte man an der Tafel. »Dies ist doch der stolzeste Tag seines Lebens, und er allein scheint kalt und unbefriedigt. So sind die großen Männer.«
    Ja, so ist ihr Erdenwalten. Die Götter sind neidisch, sagten die Hellenen. Und so träuft in den Kelch ihrer Triumphe immer Gift hinein von irgendwoher, wenn die Großen sich des vollendeten Werkes freuen wollen. Das ist ihr unabänderliches Schicksal, um sie an ihre Sterblichkeit zu erinnern, daß sie auch nur gebrechlicher menschlicher Bedürftigkeit untertan. Das Werk selber ist ihr einziger wirklicher Lohn für die sieben Arbeiten des Herkules, und sie schlafen erst aus vom Erdenleid, wenn sie in Walhalla eingehen, zu den Sternen erhoben. Grausame Ironie des Schicksals, daß der einzige, dem dieser gewaltigste Freudentag des gewaltigsten Volkes, wo alle Glocken läuteten und alle Deutschen sich umarmten und den düstern grimmigen Schmied der deutschen Esse mit Segenswünschen begabten, geheime Bitternis bescherte, er selber war, der vielkluge göttliche Dulder Odysseus, der nach endloser Irrfahrt Deutschlands Schiff in den heimischen Hafen lenkte. Sein Herr, den er liebte und ehrte, dankte ihm nicht, daß er ihn als Herzog aller Deutschen auf den Schild erhob, und Tage vergingen, bis der Kaiser Weißbart seinem treuen grimmen Hagen wieder ein freundliches Antlitz zukehrte, sich stillschweigend mit ihm vertrug, von da an bis ans Ende ...
    Aber kam ihm denn nie ein Erkennen, warum der so dankbare und gerechte Herrscher der einzige Undankbare schien und sich erst allmählich mit dem Los versöhnte, »Deutscher Kaiser« zu sein? Nein, wo offene Aussprache gefährlich scheint, schweigen die Fürsten, schweigen die Kanzler ...
    Er schrieb an den Partikularisten von Hohenschwangau, der so billig zum Ruf eines opferwilligen Patrioten kam und noch viele Jahre fortfuhr, dem Kanzler brieflich das Schreckgespenst »verderblicher Zentralisierung« heraufzubeschwören: der Bundesstaat (von vier Königen, fünf Großherzögen, fünf Herzogen, sechs Fürsten, drei Hansestädten) erweise seinen konservativ-monarchischen Charakter schon dadurch, daß er den Abscheu aller Republikaner errege, worunter er natürlich auch alle Linksliberalen verstand. Das war gewißlich wahr. Alle Freisinnigen in weitesten Kreisen sahen in dieser Form nicht ihr Ideal eines Einheitsstaates erfüllt, sondern statt eines verfassungsmäßigen Volkskaisers ein gotisch mittelalterliches Gebilde wiederaufleben, das den alten Jammer deutscher Zerrissenheit nur mit

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