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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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militaristischer Rüstung überdeckte. Aber wäre ihnen ihr Herzenswunsch gestattet worden, der im Grunde auf die alte Konstitution von Wendelin Hippler im Bauernkrieg hinauslief, ›keine Fürsten mehr, überall nur Schutz und Schirm des einen Kaisers‹, so wären sie wohl bald auf Heines spöttische Unterredung mit Barbarossa verfallen: Wir brauchen gar keinen Kaiser! Da alles, was an Republik erinnert, ohnehin überall ein sehr fragwürdiges Gut, für deutsches Wesen wie die Faust aufs Auge paßt und die Sicherheit Deutschlands gegen das neidische Ausland gefährden würde, so hat die Verstärkung des Monarchischen durch den Föderativstaat – denn so stellte es sich tatsächlich heraus – für die Nation nur heilsam gewirkt. Daß sich damit Begleiterscheinungen paaren würden, wie Wiedererwachen des Feudalismus auf dem Wege des Militarismus und Umsichgreifen eines Byzantinismus, wie man ihn in Deutschland noch nie zu keiner Zeit geschmeckt hatte, daß dies an der sittlichen Gesundheit der Nation zehren und gerade in ihr, der geistig hochstehendsten und idealsten, eine brutale Entwertung geistiger Güter zeitigen würde, das ließ sich nicht voraussehen. Doch der greise König war genau wie sein Sohn so wenig »konservativ« im gewöhnlichen Sinne, daß er, durch eine so harte Schule gegangen, ein Vorgefühl davon hatte, ein solcher Bundesstaat berge innere Gefahren, die er am meisten zu vermeiden wünschte. Ihm am wenigsten behagte es, die äußere Einheit lediglich in das Armeesystem zu verlegen und sonst jede Separatsouveränität wirtschaften zu lassen. Daraus mußten Unzuträglichkeiten entstehen, die dem Ausland den Anschein erwecken konnten, es bestehe immer noch der alte Partikularismus. Der Logik hält die Legende nicht Stich, daß ein eigensinniger Greis und verstockter Borusse die Kaiserwürde nur widerwillig auf sich nahm. Er nahm sie schon vier Wochen vor der Proklamation nicht nur an, sondern zeigte dabei durch tiefe Ergriffenheit volles Verständnis. Das Zerwürfnis mit seinem politischen Berater kann sich also keinesfalls auf den springenden Punkt selber beziehen. Wie will man aber begreifen, daß er über Aufgeben des guten alten preußischen Königtums klagte? Die Proklamation hob an: »Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen«, es konnte ihm also auch nach dieser Richtung der Staatsakt nicht mißfallen, von Aufgehen der preußischen in die deutsche Kaiserkrone war ja gar keine Rede. Ja, das ist es eben. Offenbar meinte er ursprünglich, er werde fortan nur als Kaiser des wirklich vereinten Deutschland fortbestehen, sonst hätte seine Klage ja nicht den geringsten Sinn gehabt. Und nun vernahm er, es solle sich bloß um einen Föderativstaat handeln, in welchem alle Partikularisten wieder Sitz und Stimme hatten wie im alten Deutschen Bund, nur daß die Süddeutschen in den Bund mit übertraten, jedoch mit großem Unterschied. Der Norddeutsche Bund hieß im Grunde Preußen, die kleinen Fürstentümer und selbst Sachsen waren darin nur Enklaven, Vasallen. Die Art aber, wie Bayern sich als gleichsam gleichwertiger Koeffizient auch in militärischer Hinsicht einfügte, empörte den berechtigten Preußenstolz. Man hatte vor vier Jahren das von Österreich preisgegebene Bayern gegen Wilhelms Willen gänzlich geschont, und jetzt erhob es wieder Ansprüche, als wäre es ein selbständiger Rheinbundstaat. Entsprach etwa dies der einstigen Reichsverfassung? Gewiß nicht, da war der Herzog von Bayern ein Vasall des Kaisers wie jeder andere, selbst wenn dieser Wahlkaiser ursprünglich nur ein Herzog von Franken oder Schwaben war, während diesmal das übermächtige Preußen als Stammland des Kaisers drei Viertel des aktiven Bundesheeres umfaßte. Mit anderen Worten: der neue Kaiser hatte die Macht, die Süddeutschen als Vasallen zu betrachten und bei allen anderen hatte dies keine Schwierigkeit, doch durch Bayerns Sonderstellung erweckte man den Eindruck, als ob die Kaisermacht nur ein Titel sei, ein »Charaktermajor«. Deshalb das scheinbare Streiten um des Kaisers Bart: »Deutscher Kaiser«, »Kaiser von Deutschland«, das einen sehr tiefen Sinn hatte. Und hierbei handelte es sich nicht um Stolz oder gar Hochmut, sondern der gesunde praktische Verstand König Wilhelms sah darin die Wurzel vieler Übel, während sein Idealismus ihm zuflüsterte: das ist ja gar nicht die volle und wahre Einheit, wie die Nation sie will. Daß man im Reichstag scharfe Bedenken erhob, entging ihm sicher nicht. Wenn

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