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Bismarck 03

Bismarck 03

Titel: Bismarck 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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angeblichen Gewaltfrieden von Brest, das reine Zuckerwasser neben dem späteren Versailler Vitriol. Statt die Bundesgenossen vor den Kopf zu stoßen, hätte man an ihren Forderungen festhalten sollen, das hätte sie vielleicht an uns geschmiedet bis zum bitteren Ende. Statt dessen die Parole: Friede sobald wie möglich! Keine Annexionen! Das Friedensprotokoll war eine Stümperei, wobei Trotzky mit Ironie trotzte und durch diplomatisches Wissen die »Fachleute« überraschte. Dieser Friede empörte Alldeutsche und Bulgaren durch seine Milde, ohne dem Feind den Vorwand zu nehmen, er sei gewalttätig. Nicht Fisch noch Fleisch: Den Neutralen die Mäuler aufreißen und doch nichts Bestimmtes durchsetzen, ob Hofmann noch so derb auf den Tisch klopfte. Auch bei den Westvölkern schrien viele nach Frieden, doch die »demokratischen« Regierungen schlossen ihnen den Mund mit Kerkerklammern und Füsiladekugeln, jede Meuterei wurde blutig erstickt, während der stramme deutsche Militarismus fein säuberlich die gesetzliche Regeldetri befolgte und ihre Zuchthausstrafe an den lieben Knechten der roten Phrase erst vollstreckte, wenn ihre Immunität einen Augenblick durch Armierungstoilette aufgehoben war. Man schleppte zwar 20  000 harmlose Nörgler in Schmutzhaft, unterdrückte aber nirgends den sogenannten Pazifismus, der mit schönen Gesten bewußten oder unbewußten Vaterlandsverrat inszenierte. Man ließ das Gift »neutraler« Ententezeitungen ungestört kursieren, wie auch Umtriebe und Auslandsgelder für Propaganda und Spionage Eingang fanden. Gewiß schrie die steigende Not zum Himmel, doch wie durfte man sich über die Angelsachsen sentimental beschweren, da England einst dieselbe Hungerblockade über das revolutionäre Frankreich verhängte und die Yankees sie gegen ihre eigenen südstaatlichen Landsleute brutal durchführten, beides unter viel mißlicheren Umständen, als wir im Weltkrieg sie je erduldeten, da uns die Ostsee, Holland, Schweiz offen standen. Die damaligen Opfer bissen schweigend die Zähne zusammen, wir aber verstanden nicht, daß die Feinde keinen Frieden um keinen Preis wollten, und lauschten dem verlockenden Sirenenlied der 14 Punkte des Weltschulmeisters. Bei uns lag der Urgrund aller Friedenssehnsucht nur in niedriger Selbstsucht des Individuums, das sein Behagen nicht geschmälert sehen mag, vielen Friedensschreiern ging es gar nicht schlecht, der verelendete Mittelstand hielt am geduldigsten aus. Wir möchten keineswegs magisterhaft die ideale Forderung präsentieren wie Ibsens Gregers Werle, man darf von ungeläutertem Menschentum nichts Ideales fordern. Dann muß also die Strenge des Staatsgedankens, individuelles Bedürfnis rücksichtslos mißachtend, das Ganze aufrechterhalten. Wenn Arbeitersoldaten ihren stürmenden Kameraden zuriefen »Streikbrecher«, so griff tatsächlich eine Streikgesinnung in Heer und Heimat Platz. Mit unerhörtem Zynismus betonte Wilsons Vertrauensmann, Oberst House, 1920 in Paris, daß Deutschland sich mindestens bis Mitte 1919 noch halten konnte, doch Wilson habe uns durch seine 14 Punkte »demoralisiert«. Die Pazifisten, soweit sie nicht bezahlte Verräter waren, sitzen heute wie Marius auf den Trümmern von Karthago, Dummheit ist keine Entschuldigung. Vom Tiger Clemenceau, Fuchs Lloyd George, Krokodil Wilson Schonung für Opfer ihrer Freßgier erwarten war reiner Gehirnschwund. Doch solche Stimmung sentimentaler Vertrauensseligkeit in Heimat und Heer förderte den Sturz abwärts, niemand war davon frei. Mit Ludendorffs Nervenkollaps hat die Revolution nichts gemein, wie die Zeitdaten lehren, sie war die Folge der Waffenstillstandsverhandlung, letztere aber die Folge fassungsloser Erschütterung. Nicht zu vergessen das schmachvolle Benehmen der Ungarn am Piave, sowie den durch Bestechung erreichten Treubruch Bulgariens. Der Knabe Karl fing an schon fürchterlich zu werden, wieder bewundert man die sittliche Weltordnung, daß sein Verrat ihn ebenso umbrachte wie sein Undank das zweimal durch deutsche Waffen gerettete Ungarn. Vielmehr wurde die Austreibung Habsburgs so erst recht beschleunigt, der letzte Habsburger büßte für tausend Sünden seines Geschlechts.
    Wilson war die wahre Baßgeige und große Pauke für Michels Taubstummengehör. Und diesen Rattenfänger von Hameln, der deutsche Kindsköpfe verführte, hielt sogar Shaw, der für Lichnowskys Bremsversuche mit Löschpapier für entgleisende Expreßzüge den richtigen Blick hatte, für den richtigen

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