Bismarck 03
Weichensteller! So werden selbst professionelle Ironiker umnebelt, wenn man nur hübsch bumfiedelt, der Ire Shaw schwatzte oft über sein verehrtes Deutschland so albern wie sein Ironie-Kollege Chesterton, der die alten heidnischen Prussi mit den preußischen Germanen verwechselt. Noch heut erröten Leute wie Stillich nicht, den Treubruch von Versailles mit dem »brutalen« Diktat von Brest und Bukarest zu vergleichen, als ob gerechte Bestrafung des kriegsschuldigen Rußland und des heimtückischen Vertragsbrechers Rumänien irgendwie ähnliche Voraussetzungen hätte wie der vorliegende feste Pakt der 14 Punkte. Bakers Mohrenwäsche zeigt Wilson höchstens als betrogenen Betrüger, der aus den Wolken fiel, als die Spatzen auf den Pariser Dächern pfiffen. Er war entsetzt, als er die geheimen Raubverträge der Entente kennen lernte? Dann hatte er die unbedingte Pflicht, zumal Lloyd George ihm gegen Clemenceau das Rückgrat gestärkt hätte, seine maßgebende Macht in die Wagschale zu werfen: Ich garantiere meine 14 Punkte. Man schämt sich in die deutsche Seele hinein, wenn Stillich den Frankfurter Frieden, den Moltke viel zu milde fand, mit dem von Versailles vergleicht, als ob Rücknahme früher geraubten altdeutschen Landes ungerechte Amputierung wäre. Gewiß enthielt der Brester Frieden eine Dummheit, die Annexion von Cholm, was wieder das vermaledeite Österreich verschuldete, das immer für sich auf Kosten deutscher Interessen Beute machen wollte. Aber die Randstaaten wollten ja selber von Rußland los, also verteidigte man nur ihr Selbstbestimmungsrecht. Rumänien aber wurde im Grunde glimpflich behandelt, am liebsten hätte Ungarn ein Stück davon geschluckt. Daß die rumänischen Macchiavellisten vor getäuschter Bosheit laut schluchzten, als sie den Frieden unterschreiben sollten, und daß deutscher Militarismus so wenig wie jeder andere sich auf Sentimentalitäten einläßt, soll man mit den beispiellosen Schandtaten der Franzosen im besetzten Gebiet auf eine Stufe stellen? Wahrlich, wenn Persius ein solches Pamphlet empfiehlt, so sollte uns auch seine Charakterisierung Wilhelms und Prinz Heinrichs verdächtig vorkommen, wenn sie nicht durch Graf Zedlitz so traurig bestätigt würde.
Wir denken nicht daran, das alte System reinzuwaschen, wie sich heut alle Spießbürger nach den Fleischtöpfen Pharaos zurücksehnen mit falscher Perspektive damaliger und heutiger Weltlage. Wir fürchten, daß die Reste des Obrigkeitsstaats nichts gelernt und nichts vergessen haben, wie denn heut jede Partei nur im fremden Auge den Balken (freilich nicht bloß Splitter) sieht. In gutgeschriebenen Büchern »Um den Kaiser«, »Der mißverstandene Bismarck« sucht der begabte Streber Hamann sich und seinen Meister, den schlauen Hlg. Bernhard, weißzubrennen, jede politische Erdbebenkunde ging ihrer Warte geradeso ab wie unsern ehemaligen Korpsstudenten, die sich auf schweinsledernem Korpus Juris ihrer Cameraliaexamen räkelten, sich als Salonfaxe und Schön-bartspieler mit Schmier- oder Parfümseife über den Löffel barbieren und sich das Monokleauge mit Ordensbändern blenden ließen, in lauter »ausgezeichneten Beziehungen«. Kiderlen fand das erlösende Wort, es werde gelogen, daß »die Balken sich biegen«, aber den Balken im eigenen Diplomatikerauge nahm er wohl aus. Und was fünf deutsche Professoren über »Deutsche Freiheit« als Erbauungsfibel zusammenschwätzten, erinnert an jene »teutsche Libertät«, für die einst Friedrichs Kriegsmanifest angeblich das Schwert zog. Ein Austauschprofessor band seine Festreden als Sträußchenangebinde für Amerika zusammen unter dem geschmackvollen Titel »Vom Weltreich deutschen Geistes«, das so bald die Sonne in seinen deutschen Staaten untergehen sah. Heutige Professoren aber scheuen sich nicht, den braven Hitler, den sie früher als unakademischen Anstreicher keines Wortes gewürdigt hätten, mit – Giadano Bruno zu vergleichen! »O Narr, ich werde rasend!« tobt Lear auf der Heide, enttäuschter Größenwahn rumort mit der alten Anmaßung. Auch dem Katheder-Militarismus als »Lehrer der Nation« hat die Geschichte des Weltkriegs manch böses Sprüchel zu sagen. Unsere schroffe Ablehnung offenbarer Entstellungen und Erfindungen, wo man sich das kindliche Vergnügen macht, deutsche Kriegsverbrecher in contumaciam zu hängen, beirrt nicht das bittere Geständnis, daß hier und da in der Hitze des Gefechts wohl Grausamkeiten verübt wurden. Die Franzosen nennen
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