Bismarck 03
Moltke vorschrieb. Die richtige Problemstellung liegt solcher Betrachtung fern, weil sie immer von falscher Voraussetzung ausgeht, Kluck habe sich irgendwie bedroht gefühlt. Wenn aber Bülow von Klucks wahrer günstiger Lage nichts wußte, dann durfte er auch nicht der O. H. L. ins Handwerk pfuschen und ihr seine unmaßgebliche Ansicht aufdrängen, Kluck müsse zurückgehen, während Kluck das Gegenteil wußte. Unsere Empörung steigert sich durch die schandbare Hetze, die den unglücklichen Moltke als Sündenbock erkor, dem beide sozusagen das Schwert aus der Hand schlugen. Als Moltke am 13. zurückkehrte, machte er den Eindruck eines tieferschütterten Mannes, »die Umgebung des Kaisers hielt ihn für krank. Von diesem Augenblick an führte Falkenhahn, ohne den offiziellen Titel zu haben, den Oberbefehl.« (Steiner.) Laut Falkenhahns eigenem Bericht ist er dagegen schon offiziell am 14. zum Nachfolger ernannt worden. Man hat also Moltke in geradezu beleidigender Form des Kommandos enthoben, obschon nicht er das Grundübel veranlaßte, daß Majestät, der »Sonne brauchte«, sich den peinlichen Eindrücken des Schlachtfeldes 200 km hinter der Front fernhielt. Generalquartiermeister Stein, der weiteres Annähern des Hauptquartiers vorschlug, hätte lieber dafür sorgen sollen, daß nicht der Telegraphendienst versagte und nur eine Aufnahmestelle für drahtlose Meldungen zu Gebote stand. (Unglaublich, aber wahr). Bedeutende Meldungen sollen sich so 12–18 Stunden verspätet haben, demnach hatte Moltke, als er am 11. in Reims eintraf und sich mit Bülow besprach, ein sehr unklares Bild und ließ sich von Bülow beschwatzen, der nach der Marne auch noch die Vesle hinter sich brachte. Daß er in helle Verzweiflung geriet, zeigt sein trauriger Abgang, er soll geseufzt haben: »Wir verloren den Krieg«. Das wäre an sich eine tadelnswerte Hypochondrie, doch leider erwies sich die schwarzgallige Grille prophetisch. Denn trotz lächerlicher Übertreibung der Bedeutung hat die Laienwelt recht, wenn bei ihr das Schlagwort kursiert, durch die Marneschlacht sei alles zerstört worden. Denn die Möglichkeit durch rasche Entscheidung den Feldzug zu entscheiden, kam im Westen nie wieder.
»So glänzend die alliierten Heere an der Marne fochten, es waren die Deutschen selbst, die mit Überlegung abzogen, obschon sie Aussichten auf entscheidenden Sieg haben mochten.« Wer urteilt so? French! Sein Heer focht jedenfalls nicht glänzend »und die Überlegung« war nichts als unverantwortlicher Nervenzusammenbruch einiger verantwortlicher Personen; aber es verdient Beachtung, daß sogar Frenchs eigener Eindruck so skeptisch für die Alliierten ausfiel, obschon ihm aus weiter Ferne kein Ahnungsblitz die völlige Niederlage Fochs enthüllen konnte. » Am Abend des 8 . war unsere Bewegung nach Osten mißlungen. Anstatt die deutsche Rechte zu umgehen, suchte Maunoury nicht selbst eingekreist zu werden. Überall hatte sich die Lage weiterhin verschlimmert, deutsche Truppen wurden bei Barron gemeldet, bedrohten also unsern Rückzug auf Paris.« So amtliche französische Darstellung, aus der übrigens hervorgeht, daß am 8. abends kein Fortschritt Esperets fühlbar, er daher bestimmt erst am 9. nachts in Montmirail war. Gleichwohl scheut Bülow sich nicht, spätere nebelhafte Ort- und Zeitfälschungen Esperets sich zu eigen zu machen, um seine verwerfliche Schwäche zu bemänteln. Doch er muß gewußt haben, daß seine Angabe über Montmirail und Château Thierry den Tatsachen ins Gesicht schlug und daß die 2. A. erst am 11. sich in wirklichem Rückzug befand. Für einen solchen »Bericht« fehlt uns zwar nicht das psychologische, sondern das ethische Verständnis und seine spätere Ernennung zum Feldmarschall ist wohl darauf zurückzuführen, daß Moltke sich so heftig über Bülow aussprach wie über Kluck, doch sein Nachfolger sich mit Bülow verständigte, dessen Prestige zu retten. Übrigens hat Steiner, dessen Auslieferung direkt falscher, sowohl für Moltke als für Deutschland peinlicher Tatsachen an den Matin-Sauerwein uns so sauren Wein einschenkte, daß der Anthroposophenprophet entweder erstaunliche Dummheit oder boshafte Ranküne verrät, auch eine Niedlichkeit eingefügt, die willig dem historisch feststehenden Verlauf widerspricht. Moltke habe bei einem Friedensmanöver Kluck gewarnt: wenn er so im Krieg nach vorn auf Paris ausreiße, würde man den Feldzug verlieren. Als nun Kluck trotzdem so handelte, »wurde Moltke von
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