Bismarck 03
nicht streng überwachen, wo nur ein starker Wille lenken soll. So lange man den einzelnen Armeechefs überläßt, nach eigenem Gutdünken sich untereinander zu verabreden, werden daraus Kraut und Rüben. Klucks Verhalten ähnelt auffällig dem Neys bei Bautzen und Quatrebras, wo gleichfalls ganze Korps durch Trödelei paralysiert wurden; sein Verhältnis zu Bülow, der seit St. Quentin sicher mit ihm innerlich auf gespanntem Fuß stand, scheint an dasjenige Nays zu Soult zu erinnern. Selbst Vergleich mit Grouchy ist am Platze, in dessen Fall gleichfalls die Dinge lange entstellt und die Schuldigen reingewaschen wurden. Grouchys heut entlarvte Dokumentfälschungen ähneln einigermaßen der Klucklegende, an deren Märchen der General selber teilweise unschuldig sein mag, so daß seine Darstellung sich hin und her dreht, um seinen Freunden den Gefallen zu tun, ihren Erfindungen sich halbwegs anzupassen.
Moltke der Ältere übernahm von Clausewitz die Grundidee, den Feind nach Norden von Paris abzudrängen, sie lag nur im Bereich des Erfüllbaren, wenn Bazaine und Mac Mahon ihm geradezu in die Hände arbeiteten. Moltke der Jüngere entnahm von Schlieffen die Phantasie, den Feind südöstlich an die Schweizer Grenze zu drücken, eine Großspurigkeit, deren Durchführung schon die übermäßige Stärke der 6. und 7. zuwider war, da diese doch nur den über Nevers zurückgestoßenen Feind auffangen sollten, und im Gegenteil nur besondere Stärke der 1. und 2. A. die Einkreisung im Westen vollziehen konnte. Bülows Abbiegen auf Reims schädigte ferner die leitende Anschauung, er selbst vergrößerte die so peinlich empfundene Lücke zu Kluck , dessen Abschieben von 9. K. und 5. D. und Marrwitz auf Château Thierry hierdurch nötig wurde unter Beeinträchtigung der Direktive »zwischen Oise und Marne«. Der seiner Kavallerie beraubte Hausen erhielt nur laue Versprechungen, er hätte sonst vielleicht durch Raids weit voraus die Bahnstränge zwischen Vitry und Troyes unterbrechen können. Und entzog ihm Bülow nicht so viel Kraft, wäre ihm schon am 8. auf Strecke Mailly–Sommepuis der Sieg erblüht. An allen Versehen trug die O. H. L. keine unmittelbare Mitschuld. Sie hatte keinen Anlaß, Klucks Lage anders als gesichert und günstig anzusehen. Wenn sie nach Napoleons Grundsatz: »Ich sehe nur eins, die Massen«, Paris liegen lassen wollte, um die lebendige Feindmasse von Paris abzutreiben, vernachlässigte sie dabei »die Armee von Paris«? Diesen unberechtigten Vorwurf zerstört Moltkes Direktive am 5. Er zog Ausfälle aus Paris sehr wohl in Betracht, wie ja nicht anders angängig, weil Kluck die Anwesenheit von Massen bei Paris nie verhehlte, weshalb die Vorbeimarschlegende ihn zu einem Verrückten stempelt. Er war nichts dergleichen, sondern nur allzu vorsichtig und bedächtig, wie alle seine Entschlüsse zeigen. »Seine Armee« war ihm alles, die brachte er nicht unnötig in Gefahr.
Moltke legte sein Augenmerk auf den Kronprinzen, wie sein Heerbericht am 10. zeigt, und erwartete von Strantz an der Maas viel Schönes. Wenn dieser auf sich warten ließ und sein Vorgehen zunächst schwächlich ausfiel, so ist nicht gesagt, daß es nicht am 12. wirksam geworden wäre. Der Kronprinz soll unbändig gegen den Rückzug getobt haben, mit vollem Recht. Am 12. hätte er Kraft genug entfaltet, um Sarrail abzuschnüren und ihm seine Verdunstellung zu verleiden. Mudras Beweglichkeit bei Ippecourt trug zur Möglichkeit bei, Sarrail sogar von Verdun abzusperren, daß für gleichzeitige Rückenumfassung bei Laimont und südlich der Maas durchschlagender Erfolg winkte. Durch Rückzug verlor man für immer die Aussicht, Sarrail einzupressen, Ippecourt–St. André wurden nie wieder erreicht, Mudra geriet seitwärts ab, Flankierung Sarrails trat nie wieder ein, ein unersetzlicher Verlust.
Wie aber sollte sich Moltke auskennen nach so mangelhaften und verwirrten Rapporten? So ist z. B. Anwesenheit des 3. K. am Morin reine Fabel, doch Moltke wußte es nicht anders aus Klucks täuschendem Rapport, daß 3. und 9. K. die Flanke Bülows deckten. Wenn wir wissentliche Unwahrheit ausschließen, so scheint eben Kluck weit rückwärts in Compiegne und später F. Milon vom Verbleib seines linken Flügels nichts gewußt zu haben. Später erfuhr dann Moltke die angebliche totale Umgruppierung am Ourcq, konnte also nie an Gefährdung der nun vereinten 1. A. glauben, während Bülow sich anstellte, als ob sie in Todesnöten schwebte. Baumgarten meint,
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