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Bismarck 03

Bismarck 03

Titel: Bismarck 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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mir, so ich Dir! Du ließest mich (angeblich) im Stich, jetzt tue ich Dir das Gleiche.
    Doch lassen wir keineswegs unser Mißfallen über Bülows unerhörtes Betragen so weit gehen, daß uns deshalb Kluck entwischen soll. Wir haben keinen romantischen Knalleffekt umständlich vorbereitet, sondern folgten stets ruhig dem Gang der Dinge, doch wir unterstreichen nochmals, daß Moltke am 9. nachts funkte, Kluck solle Umfassung Bülows »durch Angriff verhindern«, und dies dringendst am 10. vormittags wiederholte. Es fehlt also jede Ausflucht, Kluck sei nicht rechtzeitig vom Willen der O. H. L. unterrichtet worden, der jeder Meinung Bülows und Hentschs schnurstracks zuwiderlief, zugleich mit der entscheidenden Begründung, die Schlacht stehe günstig auf der ganzen Front. Kluck aber stellte sich taub und tot, ließ überhaupt nichts von sich hören, außer der freundlichen Botschaft er retiriere lustig weiter hinter die Aisne, – wohlgemerkt noch ehe er Bülows Weisung hierzu erhielt. Für das Vorkommnis, daß angeblich sein Stabschef hinter seinem Rücken den Rückzug einleitete und er dagegen gar keinen Widerspruch erhob, gibt es kein zweites geschichtliches Beispiel. Daß Grouchy und sein Stabschef, der notorische Verräter Senecal, am Waterlootag auf »Bleistiftzettel« lasen: » La bataille est gagné «, während das Original im Pariser Archiv deutlich mit Tinte sagt: La bataille est engagée , ist harmlos dagegen. Wir sind überzeugt, daß fleißige Akteneinsicht noch allerlei Schriftliches aus Klucks Hauptquartier entdecken könnte.
    Es kommt also nicht wesentlich in Betracht, daß Bülow endlosen Rückzug Klucks für unvermeidlich hielt, um seinen eigenen ebenso grundlosen zu entschuldigen, der übrigens lange nicht so überhastet erfolgte, das fingiert er nur absichtlich. Bülows Rückzug vollzog sich anfangs in anständigen Formen, seine Nachhuten (Teile Hülsens mit 73ern, 24. R. D., Gardegrenadiere Augusta und Elisabeth) klopften dem Verfolger derb auf die Finger. Bei Kluck aber waren selbst die notwendig werdenden Nachhutgefechte matt und leblos. Er war von vornherein schon willens, so weit das Feld zu räumen, ohne daß er sich bei Bülow nach dessen Maßregeln erkundigt hätte. Er bedurfte nicht Bülowscher Anregung, zwei Seelen und ein Gedanke!
    Allerdings machte Bülow ja schon am 9. sich zum Mitschuldigen des traurigen Ereignisses. Geteiltes Leid ist halbes Leid, er wünschte förmlich eine Parallele zu seiner eigenen unwürdigen Retirade, wobei die zwei erhabenen Heerführer sich gegenseitig mit ihrer wohlerwogenen tiefen Einsicht deckten: Wenn zwei Größen den gleichen unrichtigen Beschluß fassen, dann muß er wohl richtig sein! Das war schlimmer als ein Fehler, schlimmer als ein Verbrechen, zugleich Verbrechen und Fehler. Nach dem Heergebot jedes Staates hat kein Unterführer das Recht, etwas so entscheidendes wie Rückzug aus günstiger Lage gegen den Willen der O. H. L. zu wagen. Ja, hier lag wirklich etwas Ungewöhnliches vor, doch im übelsten Sinn, während alles Übrige bei 1. A. höchst gewöhnlich und mittelmäßig ausschaut. Joffre handelte »genial«, indem er aus lauter Verzweiflung vor Paris bluffte, Kluck »genial«, weil er sich notgedrungen diesem Bluff entgegenstellte und ohne Ursache pflichtwidrig beugte. So leicht wird der Ruhm eines Kriegsmanns erworben oder besudelt. Kluck »erwachte eines Morgens und fand, daß ich berühmt war« (Byron), er hatte Unsagbares auf dem Gewissen, flugs hieß es, er habe das Vaterland gerettet. Baumgartens Gereiztheit gegen Bülow wegen dessen operativem Eingriff bei Hausen verhindert ihn, der Wahrheit mehr als eine sehr schmale Gasse zu brechen, indem er vor Klucks Schuld die Augen schließt und sich der Legende unterwirft. Merkwürdigerweise weiß er selber plötzlich, daß bei St. Quentin nur 2 Div. Klucks mitwirkten, was freilich auch noch zu viel ist, doch wenigstens das einstige Gerede von Klucks dortigem großartigen Umfassungsmanöver aufhebt, wie denn Bülow unverkennbar Mißtrauen gegen Kluck aus dessen Augustscherzen schöpfte. Bircher, der bezüglich 2., 4. K. auf der rechten Fährte war, belobigte später, um zu verwischen, daß er errötend unsern Spuren folge, Klucks hellsichtiges Feldherrntum. Man will der Sache nicht auf den Grund gehen, um nicht die Führung um ihr Ansehen zu bringen. Gegen »Prestigen« aufzumucken sei unpatriotisch, lehrte vorsorglich schon der Onkel des Neffen, des alten Moltkes Unfehlbarkeit anzutasten war

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