Bismarck 03
Schlacht, dann der schmähliche Zusammenbruch – das sind leider typische Züge deutscher Generale und Beamten, denen Ruhe die erste Bürgerpflicht und die sofort den Kopf verlieren, sobald die übliche Ordnung gestört wird. Ein genialer Ludendorff, den man für einen eisernen Mann hielt, bekam in der letzten Krise einen Nervenkollaps wie jeder Jena-General, der vor Schatten kapitulierte. Ohne dämonische Persönlichkeiten wie die zu früh weggerafften Einheitsstreber Moritz v. Sachsen und Wallenstein oder den nach unsäglicher Mühe das Deutschelend überwindenden Bismarck kann den Deutschen nicht geholfen werden. Ohne Blücher, den sachlich ganz untauglichen, aber seelisch mächtigem Dämon der Vaterlandsliebe, wären Scharnhorst und Gneisenau ohnmächtig geblieben. Sein Wort »den Hundsfott hat jeder im Leib, doch nur ein Hundsfott läßt ihn rauskommen«, das klassische »Grouchy steht mir im Rücken? Gerade recht, er kann mir!« – das ist die Gesinnung, die deutschen Führern nottut. Kühle Bedächtigkeit hat der Teutone schon zu viel, er braucht den Furor Teutonicus und den »Zorn der freien Rede«, wie der ehrliche Arndt ihn als Geschenk pries vom Gott, der Eisen wachsen ließ. Doch lakaienhafte Liebedienerei nach oben und Mißverstehen von Manneszucht als Kadavergehorsam hat eine heilige Scheu vor wahrer Kritik. Denn wie Altmeister Moltke so hübsch sagt: »Die Prestigen müssen geschont werden«. Die sonst an kritischer Mieselsucht kranken Deutschen ächteten Jeden, der sich nicht in Militärfrommheit den Mund verbinden ließ. Wer den übergroßen Zufalls- und Schicksalsanteil an Moltkes Triumphen aufdeckte, wer vor Geringschätzung der französischen Soldaten warnte, wer die Schäden stehender Heere durchschaute und das im Weltkrieg überall ausschlaggebende Milizsystem eines Volksaufgebots empfahl – den Krieg gegen Rußland führte man überwiegend mit milizartigen Gebilden und die 9 Freiwilligendivisionen bei Ypern, die wahrlich keinen Drill hinter sich hatten, lehrten sofort den Wert solcher begeisterten Scharen – der handelte als vaterlandsloser Geselle! Hätte man doch lieber auf ihn gehört! Der Halbgott mit karmoisinenen Hosenstreifen wandelte auf dem Alsenplatz wie ein Professor ins Kolleg, und eine militärische Besprechung glich keinem französischen Marschallkonseil, sondern einem Konsilium von Oberlehrern, das Jedem, der gegen die »Schule« und Schema F frevelt, das Consilium Abeundi erteilt. Doch eigenständige Charaktere werden so nicht großgezogen. Friedrich Karls Spruch »der Wille zum Siege siegt« verkehrte sich an der Marne in »der Wille zum Nicht-Sieg erliegt«. Di« Franzosen werden dort gewiß neue Siegessäulen errichten, die alten noch überstrahlend. Wo Foch sich zum Fliehen anschickte, wird eine Viktoria segnend die Hände breiten über das Wunder der Marne, und wo Maunoury verzweifelt gen Himmel schrie, wird eine Kapelle für Notredame les Victoires zum Himmel schauen. Jetzt sträubte Chanteclair den Kamm, seine Krallen wetzten sich, sein Krähen gellte schärfer, er witterte Morgenluft.
Oktober.
I. Eroberung von Antwerpen. Süd- und Mittelfront.
Die Windstille nach Septemberstürmen unterbrach ein Donnerschlag, Antwerpens Fall. Die Entente wird nie glauben, wie geringen Kräften die »stärkste Festung der Welt« erlag. Die Angaben konnten zwischen 50 000 und 80 000 des Belagerungsheers schwanken, doch am wirklichen Angriff nahmen kaum 30 000 teil. Seitenhuten 4. Ers. D., 10., 37., 38. L. W. Brig. und 20., 26., 66. R. Zum Belagerungspark stießen 18. hess. Fußartillerie, 7., 9. sowie 3. bayr. R. F. Art. nebst Küstenmörsern, wie man jetzt die 28 cm nannte, und Skoda-Motorhaubitzen, dazu 3., 24., 25. Pioniere, 3. hess. L. W. P. nebst zwei bayr. L. St. P. Komp., wie aus Verlustlisten ersichtlich. Nachdem schon am 1. die Netheforts vom Bombardement zertrümmert, trugen Beselers Brandenburger den Sturm bis ins Innerste; die fliehenden Belgier gaben 82 Feldgeschütze ab. Die 40 kg schweren Granatgewichte der Mörser lockerten Granitblöcke und Zementschichten, rissen die Panzerwände auf. Als der Frontgürtel gesprengt, führte Kommandant de Guise eine laute Sprache, kapitulierte aber am 9. ohne Sang und Klang. 8000 gelandete Matrosen der englischen Marinedivision Paris schlugen sich noch elender als die Belgier, prahlten noch damit, daß sie nur 300 T. und V. verloren, Churchill gestand aber außerdem 1000 Vermißte zu; ihre Haupttätigkeit übten sie bei Versauung
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