Bismarck 03
spät. Aus leerer Kommißpedanterie verschob man die Frontverwendung der vier begeisterten Freiwilligenkorps von Woche zu Woche, wodurch die Belgische Feldarmee aus Antwerpen entkam und der Feind Zeit gewann, sich bei Ypern aufzubauen. Die geradezu widersinnige Einschiebung von Garde und Armin südlich Arras rechnen wir zu den größten Mißgriffen Falkenhayns, der nach eigener Aussage schon seit 14. amtlich an Stelle Moltkes trat. Selbst ein taktischer Erfolg, der ausblieb, hätte nichts wesentliches bewirkt. Es scheint aber, als ob Falkenhayn dort wirklich eine strategische Entscheidung suchte, nämlich Abdrängen der Franzosen nach Norden – Schema F nach Clausewitz –, also wieder doppelseitige Umfassung, indem Rupprecht aus Süden, Beseler aus Norden, H. Albrecht aus Osten »einkreisen« sollten. Daraus wird erfahrungsgemäß (für solche, die sich nicht durch mißverstandene Beispiele blenden lassen) nie etwas. Dagegen hätte einseitige innere Umfassung, d. h. Eintreiben eines Keils nördlich Bethune unter völliger Absperrung der Belgier, die bei Beschleunigung des Aufmarsches der 4. A. zwischen Gent und Yser hätten kapitulieren müssen, French zu sofortigem Rückzug nach Calais und wahlscheinlich Einschiffung genötigt. Das ganze Ringen bei und südlich Arras, wo im ganzen 16-18 Divisionen verplempert wurden, war reine Kraftvergeudung. Hier gebot sich, nachdem Castelnau bis Fresnoy-Albert zurückgenötigt, hinhaltendes Gefecht mit mäßigen Kräften, denn selbst glückende französische Offensive hätte sich im Sommetal verfangen, während im Norden die absolute Entscheidung fiel. Wären Garde und Armin gleich anfangs nach Lille verladen worden, so hätten sie French bei Bethune ausgeräuchert, noch ehe er zum Aufmarsch kam.
Das war der eine Weg, den anderen betonen wir aber immer wieder, ihn wies Wegnahme von Mihiel: großer Durchbruch zwischen Toul und Verdun, ein strategischer Zentralstoß, der unter allen Umständen die größte strategische Wirkung haben mußte, indem er in den Rücken von Sarrail, Langle, Esperet führte und Dubail von ihnen abschnitt. Der Zug nach dem Westen, auf welchen Einfall ja auch Joffre anbiß – der Durchschnittsmilitär denkt immer nur an »Umgehung« –, scheint dem Laien »genial«. Tatsächlich entzog diese maßlose Umgruppierung vom 6.-23. dem an der Marne leichtverwundeten deutschen Gesamtheer die Kraft von 10 Divisionen (Deimling und Badenser ungerechnet) in einer Fieberkrise, wo jede Kraftverminderung tödlich werden konnte. An Ort und Stelle verblieben, hätten sie einen überwältigenden Sieg in Lothringen errungen, was jede fragwürdige Marneschlappe (wenn sie eintrat) mehr als ausglich. Da die Hauptfront 7., 9. R. K. als frische Verstärkung erhielt, so hätte sie bei einigermaßen anständiger Führung sich längs der Marne halten müssen, auch hat ja trotz elender Dispositionen allein das 15. K. als Verstärkung dort genügt und gegen Castelnau waren 2., 18. K., die man ja nicht aus Lothringen holen mußte, Mannes genug, die Flanke zu schützen, diese Front war sich selbst genug. Doch die O. H. L. starrte hypnotisiert nach Westen. Diesmal waltete aber nicht das Glück des alten Molkte, diesmal blieben Fehler nie unbestraft, nur weil das deutsche Heer das beste war, das ja die Waffen schwang, durfte man bis zuletzt an Sieg glauben. Doch Ludendorff übernahm dort das Kommando, als schon alles versehen war und die Glocke Mitternacht schlug. Je länger man England Zeit ließ, seine Massen flüssig zu machen, desto schwieriger wurde Frankreichs Niederwerfung. Amerikas Kriegseintritt wäre nie gekommen, konnte man im September Schläge führen wie die bei Charleroi–Longwy. –
In dieser Riesenschlacht, der größten aller Zeiten, fehlte beiderseits geistiges Durchdringen. Hätte Joffre den Zentrumstoß Craonne–Berry von vornherein als Leitmotiv gewählt, hätte er sicher dafür stärkere Massen angehäuft, während er im Grunde wahllos die ganze Front abklopfte, ob er irgendwo hohle Töne von zersprungener Füllung erhorche. Er schenkte dem Gegner drei Tage, um sich in neuen Linien einzurichten, denn wir wiederholen, daß diese erst am 15. angegriffen wurden. Sah der törichte Rückzug auch manch vergessenes Beispiel stiller Heldengröße, so beschleunigte ihn doch nirgends ungestümes Nachdrängen. Der Abgang der 3., 5. A. glich dem eines verwundeten Löwen, bei der 2. beschämte die gediegene Ruhe der Truppen das Bibbern und Zappeln des Führers. Angesichts
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