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Bismarck 04

Bismarck 04

Titel: Bismarck 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Laurezac. Wunderbar, wie solche Vorgänge sich wiederholen! In Palästina hatte Allenby leichtes Spiel, da der gepriesene und auf Gallipoli wirklich verdienstvolle Liman v. Sanders wenig Sorgfalt bewies. Liman, Gleich, Kiesling schieben in ihren Büchern alles auf die verrotteten Konstantinopeler und die miserabeln türkischen Offiziere, indessen zeigten Kemal und Djamal, daß man die Türken in Zucht halten kann, wenn man sie zu behandeln versteht, nicht mit Limans eitler Rücksichtslosigkeit auch gegen deutsche Untergebene, unter denen hier der bayerische Generalstäbler v. Kreß hervortrat. In Mesopotanien hatte der alte Goltz vor seinem Tode den Briten eine böse Schlappe versetzt, doch Falkenhayns Bagdadunternehmen »Ilderim« endete wenig blitzartig! Das war lauter Nebensache; das Wesentliche aber, daß Rumänien wie Serbien erledigt und die Russen am letzten Rande ihrer Kriegsfähigkeit waren. Niederlagen der Türken mochten angenehm sein, halfen aber in Europa nichts. Der Wunsch trog, daß Beseitigung des Zaren durch Schattenrepublik den Kriegswillen stärke. War es Mut der Verzweiflung, eine Art Raserei, was die Westmächte stachelte? Ihre Angriffswut kannte keine Grenzen, ihre Opfer waren noch größer als im Vorjahr. Nun ward auch noch die Isonzo-Illusion zunichte, Italiens Zusammenbruch schien bevorzustehen. Jetzt winkte nur noch in der Ferne Amerikas rasche Hilfe, an die niemand glaubte. Bei Jahreswende standen die Dinge spottschlecht für die in allen Fugen krachende Entente, man fütterte die Völker mit Traumbildern, begrüßte jede frohe Botschaft aus Verdun, Soissons, Arras, Ypern als Bürgschaft des »mathematisch sichern« Endsiegs. Ob den Knockout-Politikern dabei wohl war? Wer ahnte damals! – Selbst der Tiger Clemenceau, solange knurrend: »Die Deutschen stehen immer noch in Noyon«, erlöste sich nicht von seelischem Bann; man ahnte vor, wie endlos die Hunnen noch den sol sacré de la patrie beschmutzen würden, wenn man immer nur so kleine Fetzen von ihren Waffenrock abschneide. Zwar brachte der August mit Hitze der Hundstage den künstlichen Erfolgtaumel zum Sieden, die Presse sorgte für jene Sachlüge, die sich von Zeitungsenten nährt. Speisung der Zehntausend, die Steine für Brot nehmen und wie bei der Kanahochzeit sich mit Wasser berauschen! Denn im Herbst vergilbten die Blätter, auf deren roten Lettern »Endsieg« stand, im November tanzten noch Erlkönigs Töchter den verführerischen Reigen, doch mancher Besonnene seufzte: Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif.
    Vielleicht mochte man daraus Mut schöpfen, daß die Angriffe mit einer Schnelle glückten, wie es früher nie vorkam. Häufig unehrenvolle Auftritte, wie rascher Hinauswurf deutscher Krieger aus ihren Gräben ohne nachhaltigen Widerstand, mochte man als Nachlassen seelischen Halts deuten, wie auch geschah. Natürlich verhüllt H. B. dies Bedauerliche, doch man mag sagen, was man will: die Unseren schlugen sich in der Jahreshälfte mehrfach nicht so, wie sonst gewohnt. Der Rückzug aus Linie Bapaume–Peronne verriet manche Überstürzung. Die Masch. G. der Nachhuten mögen verderblich gespielt haben, wie Überlieferung sagt, doch Haighs Gefangenenziffern können bei aller Übertreibung nicht glatt erlogen sein. Wie wir schon berührten, griff der Rückzug mit obligater Verwüstungsarbeit die Truppen-Psyche an; ein geschulter Kriegstheoretiker hätte Massenas ähnlichen Rückzug aus Portugal als warnendes Beispiel vorgehalten, daß derlei stets ungünstige Folgen hat, und die äußerste Nötigung, der damals Massena gehorchte, lag wahrlich für Ludendorff noch nicht vor. Man verließ sehr gute Stellungen für minder gute, die doch auch bald gefährdet werden konnten, und ließ allzuviel Material und Proviant im Stich. Da dies Verfahren uns nachher im Versailler Raubmörderfrieden so teuer zu stehen kam, wird man billig zweifeln, ob man so extreme Maßregeln begrüßen soll. Eine gewisse Panik läßt sich nicht verkennen, ein psychologisches Symptom wie bei der Marneschlacht. Die braven Truppen waren stolz darauf, die Sommeschlacht überdauert zu haben mit ganz geringem Raumverlust; man erzählte ihnen mit Recht von »kolossalen Verlusten« der Angriffe, die jetzt seit langem nachließen. Da kam der Rückzugsbefehl sehr ungelegen. Auch die Einwirkung aus der Heimat sei nicht unterschätzt, denn dies war das schlimmste Hungerjahr, bis man aus Ukraine und Rumänien etwas Speisung erhielt, lange nicht so viel als man hoffte.

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