Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bismarck 04

Bismarck 04

Titel: Bismarck 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
Vom Netzwerk:
solche Albernheit? Einfach die angeborene Anmaßung der Berufsmilitärs, die alle Lehren des Sezessionskriegs mißachteten und unsere Warnung nicht hören wollten. Freilich wanden später die Yankees billige Lorbeeren ums Sternenbanner, sie schlugen sich überall tapfer, doch unerfahren, nur ihrer riesigen Übermacht verdankten sie alle ihre äußern Erfolge, für die sie als Marathonier gepriesen wurden!
    Nichtsdestoweniger verdient Amerikas organisatorische Leistung noch höheres Lob als die Englands. Dürfen wir Gleiches von der deutschen sagen, von der doch In- und Ausland Unübertreffliches erwarteten? Beim Bestand der Artillerie im letzten Kriegsjahr hatte Bayern allein 275 Feld-, 190 (anfangs 22) schwere Batterien: 18 500 Geschütze mit 50 000 Pferden, dazu 4 Geb.-Batt., 98 Kompanien Pioniere und Minenwerfer. Man geht daher kaum fehl, unsre Art. bei Kriegsschluß auf 20 000 Geschütze zu schätzen, natürlich die weit größere Zahl dienstunfähig gewordener Stücke ungerechnet. Hier also darf man keine Achillesferse suchen, wie steht es aber mit Mannschaftsbestand? Erweitert man Bayerns 270 000 I., 90 000 Art., 10 000 P. 7500 Kav. aufs ganze ums Elffache, so sind dies rund 4 200 000 Streitbare, was selbstredend viel zu wenig wäre. Freilich müssen alle Ersatzrekruten, Etappendepots, Nichtstreitbare, kleinere Hilfswaffen, Marine als Zuschläge dienen, keinesfalls hat aber Bayern die Summe seiner angeblich 1 663 500 Wehrfähigen auch nur entfernt ausgenutzt. Diese Ziffer scheint freilich viel zu hoch gegriffen, obschon man nicht vergessen darf, daß innerhalb 4 Jahren neue Jahrgänge nachwuchsen. Demgemäß hätte Deutschland, dessen damalige Bevölkerungsziffer nicht feststeht – die letzte ordentliche Volkszählung war längst vorüber – und vielleicht sich 70 Mill. näherte, etwa 18 Mill. Wehrfähiger gehabt, was die höchste Vermutung von 14 Mill. weit übertrifft. Nun entspricht zwar obige bayr. Inf.-Zahl genau der Zahl ausgehobener Bataillone inkl. L. St., widerspricht aber sehr dem bayr. Weltkriegsverlust: 172 000 T. (exkl. 16 000 an Krankheit gestorbenen), 435 000 Verw. und Gef., was insofern zutrifft als Deutschland 1 800 000 Tote und rund 6 Mill. im ganzen verlor. Demnach hat Bayern seine 380 000 verfügbaren Streitbaren wahrscheinlich durch Ersatz verdrei facht und Deutschland nach gleichem Maßstab 12 Mill. ausgehoben, Bayern aber wäre immer noch um 525 000, Deutschland um 5–6 Mill. unter der verfügbaren Summe geblieben. Wir haben allen Grund zu glauben, daß dies leider zutrifft. Selbst wenn wir die Zahl Wehrfähiger sehr reduzieren, steht fest, daß sich Millionen »Unabkömmlicher« bis zuletzt herumtrieben und die Aushebung sehr ungleichmäßig geschah. Auf dem Land und in kleinen Landstädten wurde der letzte Mann eingezogen, in größeren Städten keineswegs, außerdem war außer den Kriegsindustriearbeitern (meist untauglich, viel Frauen dabei) ein unnützes Beamten- und Schreiberheer besoldet. Ein Montblanc von Papier, der zu Industriezwecken verwendbar war, wurde mit Tinte besudelt für nichts und wieder nichts, täglich neue »Verordnungen«. In Bern trieb sich ein kriegsstarkes Bataillon junger, gesunder Leute bei der Gesandtschaft herum, darunter viel »Edelste der Nation«. Nicht die Nation verlor den Krieg, Heer und Industrie taten beide Wunder, sondern der Staat, die Staatsmänner ohne Männer, die pedantisch äußerlich stramme, innerlich schlaffe Kriegsverwaltung mit ihren Kreuzen 1. Klasse für kommerzienrätliche Autofahrer. In Österreich liefen die Unabkömmlichen in Wien auf allen Gassen, alle Nichtdeutschen wurden schonend eingestellt, während in Tirol jeder Greis zum Stutzen griff. Die Türkei, über die Goltz sich und andere täuschte, war nur bedacht, viel aus uns herauszuschinden, ohne die deutschen Obersten Wehrle, Kannegießer usw. wäre Gallipoli gefallen.
    Unpsychologisch verfuhr man auch in Wertung der stahlharten britischen Imperialpsyche. John Bull hielt seine Helfershelfer stramm am Wickel und besetzte die Nordfranzösische Küste als Faustpfand des Wohlverhaltens, Calais glich einem englischen Hafenort, man wettete damals, daß England nie wieder Calais verlassen werde. Vielleicht wäre ähnliches geschehen ohne Onkel Sam, der über französische Interessen den Schild hielt. Außerdem hatte Lloyd George den Geheimvertrag mit Wilson in der Tasche, der mehr als wohlwollende Neutralität verbürgte und am liebsten schon nach

Weitere Kostenlose Bücher