Bis(s) 1 - Bis(s) zum Morgengrauen
warf mir einen belustigten, aber nachsichtigen Blick zu.
Am nächsten Morgen schien wieder die Sonne. Ich erwachte mit neuer Hoffnung, die ich sogleich verbissen unterdrückte. Für das wärmere Wetter suchte ich mir eine blaue Bluse mit V-Ausschnitt heraus, die ich in Phoenix im tiefsten Winter getragen hatte.
Ich fuhr absichtlich so spät los, dass mir gerade noch Zeit blieb, pünktlich zur ersten Stunde zu kommen. Betrübt drehte ich auf dem Parkplatz meine Runden, auf der Suche nach einer Lücke, aber auch nach einem silbernen Volvo, der ganz klar nirgends zu sehen war. Ich parkte in der letzten Reihe und rannte zu Englisch; ich kam gerade noch rechtzeitig an, bevor es zur Stunde klingelte – atemlos, aber gefasst.
Es war dasselbe wie am Tag zuvor – ich konnte es einfach nicht vermeiden, dass in mir wieder kleine Pflänzchen der Hoffnung heranwuchsen, nur um dann, als ich vergeblich meinen Blick durch die Cafeteria schweifen ließ und allein an meinem Tisch im Bioraum saß, umso schmerzhafter zertrampelt zu werden.
Die Fahrt nach Port Angeles wurde für mich noch reizvoller, als ich hörte, dass Lauren etwas anderes vorhatte. Ich wollte so schnell wie möglich raus aus Forks, damit ich aufhören konnte, mich ständig umzusehen, in der Hoffnung, dass er plötzlich aus heiterem Himmel auftauchte, wie das so seine Art war. Ich nahm mir vor, gute Laune zu haben, um Angela und Jessica die Freude an ihrem Einkaufsbummel nicht zu verderben. Vielleicht konnte ich mich ja auch nach ein paar Klamotten umsehen. Ich weigerte mich, auch nur in Erwägung zu ziehen, dass ich am Samstag in Seattle allein durch die Geschäfte gehen würde; so hatte ich es ursprünglich geplant, doch so wollte ich es nicht mehr. Er würde ja wohl wenigstens nicht abspringen, ohne mir Bescheid zu sagen.
Nach der Schule folgte mir Jessica in ihrem alten weißen Mercury nach Hause, damit ich meine Bücher und den Transporter wegbringen konnte. Drinnen bürstete ich mir kurz die Haare und spürte dabei einen Anflug von Vorfreude – gleich würde ich aus Forks rauskommen! Ich legte Charlie einen Zettel auf den Tisch, auf dem ich noch mal erklärte, wo das Abendessen stand, nahm mein abgegriffenes Portemonnaie aus meiner Schultasche, steckte es in eine selten benutzte Handtasche und rannte dann nach draußen zu Jessica. Wir fuhren zu Angela, die uns bereits erwartete. Meine Freude wuchs sprunghaft an, als wir tatsächlich die Ortsgrenze hinter uns ließen.
D inner for two
Jess fuhr schneller als Charlie, und so waren wir schon um vier in Port Angeles. Seit meinem letzten richtigen Mädchenabend war reichlich Zeit vergangen, und der Östrogenausstoß regte meine Lebensgeister an. Im Auto hörten wir rührselige Rocksongs, und Jessica plapperte ohne Punkt und Komma über die Jungs, mit denen wir zu tun hatten. Ihr Abendessen mit Mike war gut verlaufen, und sie hoffte, dass sie Samstagabend beim ersten Kuss angelangt sein würden. Ich lächelte zufrieden in mich hinein. Angela hatte zwar Lust, zum Ball zu gehen, war aber nicht wirklich an Eric interessiert. Sofort versuchte Jess, aus ihr herauszubekommen, wer von den anderen Jungs ihr gefiel. Nach einer Weile half ich ihr aus der Patsche, indem ich das Gespräch auf Abendkleider und den bevorstehenden Einkauf lenkte. Sie warf mir einen dankbaren Blick zu.
Port Angeles war eine hübsche kleine Touristenfalle, viel malerischer und herausgeputzter als Forks. Jessica und Angela waren schon häufig hier gewesen und hatten keine Lust, an der pittoresken Strandpromenade Zeit zu verschwenden. Jess fuhr direkt zum einzigen großen Kaufhaus der Stadt, das ein paar Straßen stadteinwärts lag.
Der Ball war als semiformell ausgeschrieben; wir wussten alle nicht genau, wie wir das deuten sollten. Jessica und Angela waren überrascht und fast schon ungläubig, als ich ihnen erzählte, dass ich in Phoenix auf keinem einzigen Ball gewesen war.
»Bist du denn nie mit deinem Freund oder so zu einem gegangen?«, fragte Jess zweifelnd, als wir das Kaufhaus betraten.
Ich bemühte mich, überzeugend zu wirken, ohne meine Ungeschicklichkeit beim Tanzen eingestehen zu müssen. »Ehrlich«, versicherte ich ihr, »ich hatte nie auch nur ansatzweise so etwas wie einen Freund. Ich bin nicht viel ausgegangen.«
»Warum denn nicht?«, wollte Jessica wissen.
»Es hat mich keiner gefragt«, antwortete ich wahrheitsgemäß.
Sie schaute skeptisch. »Hier fragen sie dich«, erinnerte sie mich, »aber du sagst allen
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