Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis(s) 2 - Bis(s) zur Mittagsstunde

Bis(s) 2 - Bis(s) zur Mittagsstunde

Titel: Bis(s) 2 - Bis(s) zur Mittagsstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephenie Meyer
Vom Netzwerk:
Sue und Leah und Seth …
    Billys Sofa stand direkt an der Heizung, und trotz der nassen Sachen war mir warm. Meine Lunge tat schrecklich weh, trotzdem konnte ich mich kaum wach halten. Ich fragte mich kurz, ob es wohl ein Fehler war zu schlafen … oder galt das nicht für Ertrinken, sondern für Gehirnerschütterung? Jacob fing leise zu schnarchen an, und das Geräusch wirkte beruhigend wie ein Schlaflied. Schnell döste ich weg.
    Zum ersten Mal seit langem hatte ich einen ganz normalen Traum. Nur eine verschwommene Wanderung durch alte Erinnerungen – blendend helle Eindrücke von der Sonne in Phoenix, das Gesicht meiner Mutter, ein wackliges Baumhaus, eine verwaschene Decke, eine Wand mit Spiegeln, eine Flamme auf dem schwarzen Wasser … Sobald ein neues Bild kam, war das vorige vergessen.
    Allein das letzte Bild blieb mir im Gedächtnis haften. Es war unbedeutend – nur ein Bühnenbild. Ein Balkon bei Nacht, ein gemalter Mond, der am Himmel stand. Ich sah, wie das Mädchen im Nachthemd an der Brüstung lehnte und mit sich selbst redete.
    Unbedeutend … aber als ich langsam wieder erwachte, hatte ich Julia im Kopf.
    Jacob schlief noch, er war auf den Boden gesackt und atmete tief und gleichmäßig. Im Haus war es jetzt noch dunkler als zuvor, draußen war es völlig schwarz geworden. Ich war steif, aber warm und fast trocken. Bei jedem Atemzug brannte es in meinem Hals.
    Ich musste aufstehen, und sei es nur, um etwas zu trinken. Aber mein Körper wollte nur schlaff liegen bleiben und sich nie wieder bewegen.
    Also dachte ich stattdessen noch ein bisschen über Julia nach.
    Ich überlegte, was sie wohl gemacht hätte, wenn Romeo sie verlassen hätte, nicht weil er verbannt war, sondern weil er das Interesse verloren hätte. Wenn Rosalind ihn nicht ignoriert und er seine Meinung geändert hätte. Wenn er, anstatt Julia zu heiraten, einfach verschwunden wäre.
    Ich glaubte zu wissen, wie es Julia ergangen wäre.
    Sie wäre nicht einfach zur Tagesordnung übergegangen. Sie hätte ihn nicht vergessen, da war ich mir sicher. Selbst wenn sie alt und grau geworden wäre, hätte sie immer Romeos Bild vor Augen gehabt. Und am Ende hätte sie sich damit abgefunden.
    Ich fragte mich, ob sie letztlich wohl Paris geheiratet hätte, ihren Eltern zuliebe, um des lieben Friedens willen. Nein, wahrscheinlich nicht, dachte ich. Aber in der Geschichte erfuhr man auch nicht viel über Paris. Er war nur ein Platzhalter, eine Bedrohung, jemand, der sie zum Handeln zwang.
    Aber wenn an Paris mehr dran gewesen wäre? Wenn er Julias Freund gewesen wäre? Ihr allerbester Freund? Wenn er der Einzige gewesen wäre, dem sie die entsetzliche Geschichte mit Romeo anvertrauen konnte? Der Einzige, der sie verstand und der ihr wieder das Gefühl gab, halbwegs menschlich zu sein? Wenn er geduldig und freundlich wäre? Sich um sie kümmerte? Wenn Julia wüsste, dass sie ohne ihn nicht überleben könnte? Wenn er sie wirklich lieben würde und sie glücklich sehen wollte?
    Und … wenn sie Paris nun liebte? Nicht wie Romeo. Nicht im Entferntesten, nein. Aber doch so sehr, dass sie ihn auch glücklich sehen wollte?
    Jacobs langsamer, tiefer Atem war das einzige Geräusch im Zimmer – wie ein Schlaflied, das man einem Kind vorsummte, wie das Flüstern eines Schaukelstuhls, wie das Ticken einer alten Uhr … So klang Trost.
    Wenn Romeo wirklich fortgegangen und nie wiedergekommen wäre, hätte es dann eine Rolle gespielt, ob Julia Paris’ Antrag angenommen hätte? Vielleicht hätte sie versuchen sollen, sich in dem bisschen Leben, das ihr geblieben war, einzurichten. Vielleicht wäre das ihre letzte Chance gewesen, doch noch so etwas Ähnliches wie Glück zu finden.
    Ich seufzte, und dann stöhnte ich, als der Seufzer im Hals kratzte. Ich interpretierte zu viel in die Geschichte hinein. Romeo hatte seine Meinung nicht geändert. Deshalb war sein Name unvergessen und für immer mit ihrem verwoben: Romeo und Julia. Deshalb war es eine gute Geschichte. »Julia wird verlassen und tröstet sich mit Paris« wäre kein Bestseller geworden.
    Ich schloss die Augen und ließ mich wieder treiben, ließ die Gedanken von dem blöden Stück abschweifen, an das ich nicht mehr denken wollte. Stattdessen dachte ich über die Wirklichkeit nach – darüber, dass ich von der Klippe gesprungen war und wie hirnrissig das gewesen war. Und nicht nur der Sprung von der Klippe, auch das mit den Motorrädern. Wenn mir nun etwas zugestoßen wäre! Wie wäre es Charlie dann

Weitere Kostenlose Bücher