Bis(s) 2 - Bis(s) zur Mittagsstunde
orientierungslos gewesen war, dass ich nicht mehr wusste, wo oben und unten war. Vollkommen orientierungslos … aber irgendwie hatte Jacob …
»Wie hast du mich gefunden?«, krächzte ich.
»Ich hab dich gesucht«, sagte er. Er rannte jetzt fast durch den Regen, den Strand hinauf zur Straße. »Ich hab die Reifenspuren verfolgt, bis ich deinen Transporter gefunden hatte, und dann hörte ich dich schreien …« Er schauderte. »Warum bist du gesprungen, Bella? Hast du nicht gemerkt, dass ein Orkan aufkam? Hättest du nicht auf mich warten können?« Jetzt, da die Anspannung nachließ, wurde er wütend.
»Tut mir leid«, murmelte ich. »Das war dämlich.«
»Ja, das war echt dämlich«, sagte er, und als er nickte, flogen Regentropfen aus seinem Haar. »Kannst du die dämlichen Sachen nicht lieber machen, wenn ich dabei bin? Wenn ich ständig damit rechnen muss, dass du hinter meinem Rücken von irgendwelchen Klippen springst, kann ich mich nicht konzentrieren.«
»Okay«, sagte ich. »Kein Problem.« Ich hatte eine Stimme wie ein Kettenraucher. Ich versuchte mich zu räuspern – und zuckte vor Schmerzen zusammen, denn es fühlte sich so an, als würde man mir mit einem Messer in die Kehle stechen. »Was ist heute passiert? Habt ihr … sie gefunden?« Jetzt war es an mir zu schaudern, obwohl ich nicht mehr so fror, weil er mich mit seinem glühend heißen Körper wärmte.
Jacob schüttelte den Kopf. Er rannte immer noch, als er die Straße zu seinem Haus hochlief. »Nein. Sie ist ins Wasser geflüchtet – dort sind die Blutsauger uns überlegen. Deshalb bin ich zum Strand gerannt – ich hatte Angst, sie könnte plötzlich zurückschwimmen. Du verbringst so viel Zeit dort allein …« Er verstummte, seine Stimme stockte.
»Sam ist mit dir gekommen … sind die anderen auch alle wieder da?«
»Ja. So gut wie.«
Ich versuchte seine Miene zu entschlüsseln und blinzelte in den trommelnden Regen. Sein Blick war starr vor Sorge und Schmerz.
Jetzt erst begriff ich die Worte, die er vorhin zu Sam gesagt hatte. »Du hast … was vom Krankenhaus gesagt. Ist jemand verletzt? Hat sie euch angegriffen?« Meine Stimme sprang eine Oktave höher, was sich bei meiner Heiserkeit merkwürdig anhörte.
»Nein, nein. Als wir wiederkamen, hatte Emily schlechte Nachrichten für uns. Es ist Harry Clearwater. Er hatte heute Morgen einen Herzinfarkt.«
»Harry?« Ich schüttelte den Kopf und versuchte die Worte zu verarbeiten. »O nein! Weiß Charlie es schon?«
»Ja. Er ist auch dort, zusammen mit meinem Vater.«
»Kommt Harry durch?«
Jacobs Blick wurde wieder starr. »Im Moment sieht es nicht so rosig aus.«
Plötzlich hatte ich so ein schlechtes Gewissen, dass mir ganz elend wurde. Ich bereute diesen hirnlosen Sprung von der Klippe zutiefst. Um mich sollte sich jetzt wirklich niemand Sorgen machen. Einen idiotischeren Zeitpunkt hätte ich mir für meine waghalsige Aktion kaum aussuchen können.
»Was kann ich tun?«, fragte ich.
In diesem Moment hörte es auf zu regnen. Wir gingen schon durch die Tür, ehe ich merkte, dass wir bei Jacob zu Hause angelangt waren. Der Sturm toste gegen das Dach.
»Du kannst hierbleiben«, sagte Jacob, als er mich auf das kleine Sofa legte. »Das meine ich wörtlich – genau hier. Ich hole dir trockene Klamotten.«
Während Jacob in seinem Zimmer herumkramte, wartete ich, bis meine Augen sich an die Dunkelheit im Raum gewöhnt hatten. Ohne Billy wirkte das vollgestopfte Wohnzimmer so leer, fast verlassen. Es hatte etwas merkwürdig Unheilvolles – wahrscheinlich nur, weil ich wusste, wo er war.
Kurz darauf kam Jacob zurück. Er warf mir einen Stapel grauer Baumwollsachen zu. »Die sind dir garantiert viel zu groß, aber was Besseres hab ich nicht. Ich, äh, ich geh dann mal vor die Tür, damit du dich umziehen kannst.«
»Bitte geh nicht. Ich bin noch zu schlapp, um mich umzuziehen. Bleib einfach hier bei mir.«
Jacob setzte sich auf den Boden neben mich und lehnte sich mit dem Rücken ans Sofa. Ich fragte mich, wann er wohl zuletzt geschlafen hatte. Er sah genauso erschöpft aus, wie ich mich fühlte.
Er legte den Kopf neben meinen und gähnte. »Ich könnte mich jetzt gut eine Weile ausruhen …«
Die Augen fielen ihm zu. Ich ließ meine auch zufallen.
Armer Harry. Arme Sue. Ich wusste, dass Charlie außer sich sein würde. Harry war einer seiner besten Freunde. Obwohl Jake die Lage so schlimm dargestellt hatte, hoffte ich inständig, dass Harry durchkam. Für Charlie. Für
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