Bis(s) 2 - Bis(s) zur Mittagsstunde
gehalten, dass sie so reagieren könnte. Dass sie überhaupt derart mit ihm verbunden war. Ich glaube, inzwischen weiß ich, warum – sie war sich seiner so sicher, ihr kam gar nicht der Gedanke, dass er versagen könnte. Ihre Siegesgewissheit überlagerte ihre Gefühle für ihn, deshalb erkannte ich nicht, wie tief sie waren. Nicht, dass es irgendeine Entschuldigung für das gäbe, was ich dir zugemutet habe. Als ich hörte, was du Alice erzählt hast – was sie selbst gesehen hat –, als ich begriff, dass du dein Leben in die Hände von halbwüchsigen, ungestümen Werwölfen gelegt hast, dem Schlimmsten, was es außer Victoria selbst dort draußen gibt« – er schauderte und sein Redestrom brach für einen kurzen Moment ab. »Du musst mir glauben, dass ich von alldem keine Ahnung hatte. Es macht mich ganz krank, selbst jetzt, wenn ich dich sehe und wohlbehalten in meinen Armen spüre. Ich bin der armseligste …«
»Stopp«, fuhr ich dazwischen. Er starrte mich gequält an, und ich suchte nach den richtigen Worten – den Worten, die ihn von seinem Schuldgefühl befreien könnten, das ihn unnötigerweise so plagte. Es fiel mir sehr schwer, diese Worte zu sagen. Ich wusste nicht, ob ich sie aussprechen konnte, ohne zusammenzubrechen. Aber ich musste versuchen, das Bild geradezurücken. Ich wollte nicht, dass er meinetwegen ein schlechtes Gewissen hatte und sich quälte. Er sollte glücklich sein, ganz gleich, was es mich kostete.
Ich hatte wirklich gehofft, diesen Teil unseres Gesprächs noch hinauszögern zu können. Nun würde alles viel früher zu einem Ende kommen.
Ich griff auf die monatelange Übung im Schauspielern zurück und setzte ein unbeteiligtes Gesicht auf.
»Edward«, sagte ich. Sein Name brannte mir ein wenig im Hals. Ich spürte die Erinnerung an die klaffende Wunde, die nur darauf wartete, wieder aufzureißen, sobald er verschwunden war. Ich wusste nicht, wie ich es diesmal überleben sollte. »Du musst damit aufhören. So darfst du nicht denken. Du kannst dein Leben nicht von dieser … Schuld … beherrschen lassen. Du kannst nicht die Verantwortung für das übernehmen, was mir zustößt. Nichts davon ist deine Schuld, so ist mein Leben nun mal. Wenn ich also vor einen Bus laufe oder was auch immer mir demnächst passiert, dann musst du dir klarmachen, dass du damit nichts zu tun hast. Du kannst nicht einfach nach Italien flüchten, nur weil du mich nicht gerettet hast und dir deswegen ein schlechtes Gewissen machst. Selbst wenn ich von der Klippe gesprungen wäre, um mich umzubringen, wäre das meine Entscheidung und nicht deine Schuld gewesen. Ich weiß, es ist deine … deine Art, dir ständig an allem die Schuld zu geben, aber du darfst das nicht zu weit treiben! Das ist verantwortungslos – du musst auch an Esme denken und Carlisle und …«
Jetzt verlor ich fast die Beherrschung. Ich hielt inne und holte tief Luft, um mich zu beruhigen. Ich musste ihn freigeben. So etwas durfte nie wieder vorkommen.
»Isabella Marie Swan«, flüsterte er, und ein ganz eigenartiger Ausdruck lag auf seinem Gesicht. Er sah fast wütend aus. »Glaubst du etwa, ich hätte die Volturi gebeten, mich zu töten, weil ich Schuldgefühle hatte ?«
Ich spürte, wie verständnislos ich aussehen musste. »Etwa nicht?«
»Ich hatte die schlimmsten Schuldgefühle«, sagte er. »Schlimmer, als du dir vorstellen kannst.«
»Dann … was willst du denn damit sagen? Das verstehe ich nicht.«
»Bella, ich ging zu den Volturi, weil ich glaubte, du wärst tot«, sagte er mit weicher Stimme und glühendem Blick. »Selbst wenn ich an deinem Tod nicht beteiligt gewesen wäre« – er schauderte bei dem Wort »Tod« –, »selbst wenn es nicht meine Schuld gewesen wäre, hätte ich mich nach Italien aufgemacht. Natürlich hätte ich direkt mit Alice reden sollen, anstatt es aus zweiter Hand von Rosalie zu glauben. Aber was sollte ich denn denken, als der Typ sagte, Charlie sei auf der Beerdigung? Was sprach dafür …? Was spricht dafür …«, murmelte er gedankenverloren. Seine Stimme war so leise, dass ich nicht wusste, ob ich richtig gehört hatte. »Bei uns spricht alles immer nur dagegen. Ein Missverständnis nach dem anderen. Nie wieder werde ich Romeo einen Vorwurf machen.«
»Aber ich verstehe es immer noch nicht«, sagte ich. »Kein bisschen. Na ja, und selbst wenn?«
»Wie bitte?«
»Selbst wenn ich tot gewesen wäre?«
Er starrte mich lange zweifelnd an, ehe er sagte: »Weißt du denn gar nichts mehr
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