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Bis(s) 2 - Bis(s) zur Mittagsstunde

Bis(s) 2 - Bis(s) zur Mittagsstunde

Titel: Bis(s) 2 - Bis(s) zur Mittagsstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephenie Meyer
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schüttelte ihre Hand ab. »Ich will nur was gucken …«
    »Spinnst du?«, flüsterte sie. »Willst du dich umbringen?«
    Diese Frage ließ mich aufhorchen, und ich sah ihr ins Gesicht.
    »Nein.« Das klang so, als müsste ich mich verteidigen, aber es stimmte. Ich wollte mich nicht umbringen. Selbst am Anfang, als der Tod zweifellos eine Erleichterung gewesen wäre, hatte ich das nicht in Betracht gezogen. Ich hatte Charlie so viel zu verdanken. Und ich fühlte mich verantwortlich für Renée. Ich musste an die beiden denken.
    Und ich hatte versprochen, nichts Dummes oder Waghalsiges zu tun. Nur deshalb atmete ich immer noch.
    Als ich an das Versprechen dachte, bekam ich ein schlechtes Gewissen, aber dann sagte ich mir, dass das hier nicht richtig zählte. Ich hielt mir ja schließlich keine Rasierklinge an die Handgelenke.
    Jessica machte große Augen, ihr Mund stand offen. Zu spät begriff ich, dass ihre Frage nach meinen Selbstmordabsichten rein rhetorisch gewesen war.
    »Geh doch schon vor«, sagte ich und zeigte zu McDonald’s. Es gefiel mir nicht, wie sie mich ansah. »Ich komm gleich nach.«
    Ich wandte mich von ihr ab und schaute wieder zu den Männern, die uns amüsiert und neugierig beobachteten.
    »Bella, hör sofort damit auf!«
    Meine Muskeln verkrampften sich und nagelten mich am Boden fest. Denn es war nicht Jessica, die mich da gerade zurechtgewiesen hatte. Es war eine wütende Stimme, eine vertraute Stimme, eine wunderschöne Stimme – samtweich selbst im Zorn.
    Es war seine Stimme – ich war peinlich darauf bedacht, niemals seinen Namen zu denken – und es überraschte mich, dass es mich nicht umwarf, sie zu hören, dass ich nicht vor Schmerz auf die Straße sank. Aber ich spürte keinen Schmerz, nicht die Spur.
    In dem Moment, da ich seine Stimme hörte, war alles ganz klar. Als wäre ich plötzlich aus einem dunklen Tümpel aufgetaucht. Meine Sinne waren auf einmal geschärft – ich sah und hörte besser, ich spürte die kalte Luft, die mir scharf ins Gesicht blies, und ich nahm die Gerüche wahr, die aus der Bar herausströmten.
    Erschrocken schaute ich mich um.
    »Geh wieder zu Jessica«, befahl die schöne Stimme, immer noch wütend. »Du hast es versprochen – keine Dummheiten.«
    Ich war allein. Jessica stand ein paar Meter entfernt und starrte mich erschrocken an. An der Wand standen die fremden Männer und fragten sich bestimmt, warum ich reglos mitten auf der Straße stand.
    Ich schüttelte den Kopf und versuchte zu verstehen. Ich wusste, dass er nicht da war, und doch hatte ich das Gefühl, als wäre er unwahrscheinlich nah, zum ersten Mal seit … seit dem Ende. Er klang wütend, aber er war nur besorgt, es war eine Wut, die mir einmal sehr vertraut gewesen war und die ich so lange nicht gehört hatte, dass es mir wie eine Ewigkeit vorkam.
    »Denk an dein Versprechen.« Die Stimme verebbte, wie wenn man bei einem Radio die Lautstärke herunterdrehte.
    Allmählich kam mir der Verdacht, dass ich eine Art Halluzination hatte. Zweifellos war sie durch die Erinnerung ausgelöst worden – durch das Déjà-vu, das seltsam Vertraute der Situation.
    Schnell ging ich die verschiedenen Möglichkeiten durch.
    Erste Möglichkeit: Ich war verrückt. So wurden doch Leute genannt, die Stimmen hörten.
    Nicht auszuschließen.
    Zweite Möglichkeit: Mein Unterbewusstsein gab mir das, was ich seiner Meinung nach brauchte: Die trügerische Illusion, es sei ihm nicht gleichgültig, ob ich lebte oder tot war, linderte den Schmerz für eine Weile. Eine Projektion dessen, was er gesagt hätte, wenn er a) hier wäre und es ihn b) in irgendeiner Weise kümmern würde, wenn mir etwas zustieß.
    Wahrscheinlich.
    Eine dritte Möglichkeit sah ich nicht, also hoffte ich, dass es die zweite war. Lieber ein Unterbewusstsein, das Amok lief, als irgendetwas, das eine stationäre Behandlung notwendig machte.
    Doch meine Reaktion sprach nicht unbedingt für meine Zurechnungsfähigkeit – ich war dankbar .
    Ich hatte gefürchtet, den Klang seiner Stimme zu vergessen, und deshalb war ich vor allem unglaublich dankbar dafür, dass mein Unterbewusstsein diesen Klang besser bewahrt hatte als mein Bewusstsein.
    Ich hatte es mir verboten, an ihn zu denken. In dieser Beziehung versuchte ich sehr streng zu sein. Natürlich passierte mir hin und wieder ein Ausrutscher, schließlich war ich nur ein Mensch. Doch es wurde besser, und jetzt gelang es mir manchmal schon, den Schmerz tagelang zu vermeiden. Dafür bezahlte ich mit

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