Bis(s) 2 - Bis(s) zur Mittagsstunde
einverstanden; schließlich bekam ich genau das, was ich wollte – Ruhe vor Charlie.
Ich sorgte dafür, dass Jess während der Werbung weiterquatschte, damit ich möglichst wenig von neuen Liebesfilmen mitbekam. Doch als unser Film anfing, wurde ich nervös. Ein junges Pärchen ging an einem Strand entlang, sie hielten Händchen und beteuerten sich auf schmalzige, verlogene Weise, wie sehr sie sich liebten. Ich widerstand dem Drang, mir die Ohren zuzuhalten und zu summen. Auf eine Liebesgeschichte war ich nicht vorbereitet.
»Ich dachte, wir wollten in den Zombiefilm«, zischte ich Jessica zu.
»Das ist doch der Zombiefilm.«
»Warum wird dann keiner aufgefressen?«, fragte ich verzweifelt.
Sie schaute mich mit großen Augen an, beinahe beunruhigt. »Das kommt bestimmt noch«, flüsterte sie.
»Ich geh mal Popcorn holen. Möchtest du auch was?«
»Nein, danke.«
Hinter uns machte jemand »pssst«.
An der Kasse ließ ich mir Zeit, behielt die Uhr im Auge und überlegte, wie viel Prozent eines neunzig Minuten langen Films wohl auf eine romantische Einleitung entfallen konnten. Ich kam zu dem Schluss, dass zehn Minuten mehr als genug seien, doch vor dem Saal blieb ich sicherheitshalber kurz stehen. Ich hörte Gekreisch von drinnen, und da wusste ich, dass ich lange genug gewartet hatte.
»Du hast alles verpasst«, flüsterte Jess, als ich mich wieder neben sie setzte. »Jetzt sind schon fast alle in Zombies verwandelt.«
»Die Schlange war so lang.« Ich bot ihr von meinem Popcorn an, und sie nahm eine Handvoll.
Der Rest des Films bestand aus grausamen Angriffen von Zombies und endlosem Gekreisch der paar Überlebenden, die zusehends weniger wurden. Ich hätte gedacht, dass mich das nicht weiter berühren würde. Doch ich fühlte mich unbehaglich und wusste zunächst nicht, woran das lag.
Erst ganz am Schluss, als ich sah, wie ein ausgezehrter Zombie hinter der letzten kreischenden Überlebenden herschlurfte, wusste ich, was es war. In der Szene wurde ständig zwischen dem entsetzten Gesicht der Heldin und dem toten, unbewegten Gesicht ihres Verfolgers hin- und hergeschnitten, hin und her, während der Abstand zwischen den beiden immer kleiner wurde.
Und mir wurde klar, wem von den beiden ich mehr ähnelte.
Ich stand auf.
»Wo willst du hin? Es sind höchstens noch zwei Minuten«, flüsterte Jess.
»Ich muss was trinken«, murmelte ich und rannte zum Ausgang.
Ich setzte mich auf die Bank vor dem Saal und versuchte nicht an die Ironie des Ganzen zu denken. Aber es war schon ziemlich ironisch, dass ich ausgerechnet als Zombie enden sollte. Damit hatte ich nicht gerechnet.
Zwar hatte ich früher davon geträumt, eine Untote zu werden – doch niemals ein groteskes, ferngesteuertes Monster. Panisch schüttelte ich den Kopf, um diese Gedanken zu verscheuchen. Ich konnte es mir nicht erlauben, über meine alten Träume nachzudenken.
Zu deprimierend war die Erkenntnis, dass ich nicht mehr die Heldin war, dass meine Geschichte vorbei war.
Jessica kam aus der Vorstellung und zögerte, vermutlich überlegte sie, wo sie am besten nach mir suchen sollte. Als sie mich entdeckte, sah sie erleichtert aus, aber nur kurz. Dann wirkte sie verärgert.
»War dir der Film zu gruselig?«, fragte sie.
»Ja«, sagte ich. »Ich bin wohl ein ziemliches Weichei.«
»Komisch«, sagte sie und runzelte die Stirn, »das hab ich gar nicht gedacht – ich hab die ganze Zeit geschrien und du kein einziges Mal. Deshalb hab ich auch nicht verstanden, wieso du raus bist.«
Ich zuckte die Achseln. »War mir einfach zu heftig.«
Jetzt wurde sie etwas lockerer. »Ich glaub, das war der gruseligste Film, den ich je gesehen hab. Heute Nacht kriegen wir bestimmt Albträume.«
»Garantiert«, sagte ich und versuchte, normal zu klingen. Ganz sicher würde ich Albträume haben, aber nicht von Zombies. Sie schaute mir kurz ins Gesicht und dann wieder weg. Vielleicht hatte ich doch nicht so normal geklungen.
»Wo sollen wir essen?«, fragte Jess.
»Mir egal.«
»Okay.«
Wir gingen los und Jess sprach nur noch über den männlichen Hauptdarsteller. Ich nickte, als sie von ihm schwärmte, obwohl ich mich überhaupt nicht erinnern konnte, einen Mann gesehen zu haben, der kein Zombie war.
Ich achtete nicht darauf, wohin Jessica uns führte. Mir war nur undeutlich bewusst, dass es jetzt dunkel war und stiller. Ich brauchte zu lange, um zu merken, weshalb es still geworden war. Jessica hatte aufgehört zu reden. Ich schaute sie
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