Bis(s) 2 - Bis(s) zur Mittagsstunde
würde nicht schuld an seinem Tod sein.
Dann knurrte der Anführer leise, und der rostbraune Wolf schaute schnell wieder zu Laurent.
Laurent starrte auf das Wolfsrudel, unverhohlener Schreck im Blick. Ich konnte ihn verstehen. Aber ich war völlig perplex, als er ohne Vorwarnung herumwirbelte und zwischen den Bäumen verschwand.
Er lief weg.
Sofort waren die Wölfe hinter ihm her, mit wenigen kräftigen Sätzen stürmten sie über die Lichtung. Sie knurrten dabei so laut, dass ich mir instinktiv die Ohren zuhielt. Als sie im Wald verschwunden waren, verebbte das Geräusch erstaunlich schnell.
Und dann war ich wieder allein.
Meine Knie gaben nach und ich fiel vornüber, ein Schluchzen stieg mir in der Kehle auf.
Ich wusste, dass ich wegmusste, und zwar sofort. Wie lange würden die Wölfe Laurent verfolgen, ehe sie kehrtmachten, um über mich herzufallen? Oder würde Laurent sie angreifen? Würde er zurückkommen?
Doch zunächst konnte ich mich nicht bewegen, meine Arme und Beine zitterten und ich wusste nicht, wie ich hochkommen sollte.
Mein Denken war vor lauter Angst, Schreck und Verwirrung gelähmt. Ich begriff nicht, was ich da gerade gesehen hatte.
Ein Vampir dürfte nicht vor übergroßen Hunden davonlaufen, und seien sie noch so riesig. Was konnten ihre Zähne seiner Granithaut schon anhaben?
Und die Wölfe hätten um Laurent einen großen Bogen machen müssen. Selbst wenn sie durch ihre außergewöhnliche Größe gelernt hatten, sich vor nichts zu fürchten, so war es doch unlogisch, dass sie Jagd auf ihn machten. Ich bezweifelte, dass seine eisige Haut appetitlich roch. Warum ließen sie eine warmblütige leichte Beute wie mich links liegen, um Laurent hinterherzurennen?
Ich kapierte es nicht.
Eine kalte Brise fegte über die Lichtung, und das Gras wogte, als würde etwas hindurchlaufen.
Ich rappelte mich auf und wich zurück, obwohl der Wind friedlich an mir vorbeiwehte. Vor lauter Panik stolperte ich fast, als ich Hals über Kopf in den Wald rannte.
Die nächsten Stunden waren die reinste Qual. Um aus dem Wald herauszufinden, brauchte ich dreimal so lange wie für den Weg zur Lichtung. Zuerst achtete ich überhaupt nicht darauf, wo ich hinlief, ich wollte einfach nur weg. Als ich wieder so weit bei Sinnen war, dass mir der Kompass einfiel, war ich schon tief in dem unbekannten, bedrohlichen Wald. Meine Hände zitterten so sehr, dass ich den Kompass auf den matschigen Boden legen musste, um ihn lesen zu können. Alle paar Minuten blieb ich stehen, legte den Kompass wieder hin und überprüfte, ob ich immer noch nach Nordwesten ging, und dann, wenn nicht alles von dem schmatzenden Geräusch meiner hektischen Schritte übertönt wurde, hörte ich das leise Geflüster unsichtbarer Wesen, die sich in den Blättern bewegten.
Ich zuckte vor dem Ruf eines Eichelhähers zurück und fiel in das dichte Gestrüpp junger Fichten. Dabei zerkratzte ich mir die Arme und verklebte mir die Haare mit Fichtensaft. Als ein Eichhörnchen plötzlich vor mir auf eine Tanne huschte, schrie ich so laut, dass es mir selbst in den Ohren wehtat.
Endlich sah ich, dass der Weg aus dem Wald herausführte. Ich kam auf einer verlassenen Straße heraus, etwa anderthalb Kilometer südlich von meinem Transporter. Obwohl ich so erschöpft war, joggte ich die ganze Strecke bis zu meinem Wagen. Als ich mich ins Fahrerhaus gehievt hatte, schluchzte ich schon wieder. Wütend verriegelte ich beide Türen, bevor ich den Autoschlüssel aus der Tasche holte. Das Röhren des Motors war tröstlich und vertraut. Es half mir, die Tränen zurückzuhalten, als ich, so schnell mein Wagen es zuließ, in Richtung Forks fuhr.
Als ich nach Hause kam, hatte ich mich ein wenig beruhigt, aber ich war immer noch ziemlich mitgenommen. Charlies Streifenwagen stand in der Einfahrt – ich hatte gar nicht bemerkt, wie spät es war. Es dämmerte schon.
»Bella?«, sagte Charlie, als ich die Haustür hinter mir zuschlug und schnell den Schlüssel herumdrehte.
»Ja, ich bin’s.« Meine Stimme war wacklig.
»Wo warst du?«, schimpfte er und erschien mit drohender Miene in der Küchentür.
Ich zögerte. Wahrscheinlich hatte er bei den Stanleys angerufen. Ich sollte mich also besser an die Wahrheit halten.
»Ich war wandern«, gab ich zu.
Er sah mich streng an. »Wolltest du nicht eigentlich zu Jessica?«
»Mir war heute nicht nach Mathe.«
Charlie verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich dachte, ich hätte dich gebeten, nicht in den Wald zu
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