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Biss sagt mehr als tausend Worte

Biss sagt mehr als tausend Worte

Titel: Biss sagt mehr als tausend Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Moore
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trinken und dann erstochen werden wollte.
    »Meinst du, die sitzen alle in ihren Landhäusern im Sonoma
Valley?«, sagte Rivera, während eine dunkle Ahnung wie Übelkeit in ihm aufstieg. Normalerweise drängten sich zu dieser frühen Morgenstunde auf den Bürgersteigen des Tenderloin verdreckte Obdachlose auf der Suche nach dem ersten Drink des Tages oder einem Platz zum Schlafen. Hier unten schlief man meist bei Tage. Die Nacht war zu gefährlich. Eigentlich hätte sich eine Schlange von Leuten, die auf ein kostenloses Frühstück warteten, einmal um den Block der Sacred Heart Mission winden sollen, doch die Schlange reichte kaum bis vor die Tür.
    Als sie die Mission betraten, sagte Cavuto: »Wahrscheinlich wirst du keine bessere Gelegenheit bekommen, dir eine von diesen einbeinigen Huren zu besorgen. Und wenn du deine Ansprüche etwas herunterschraubst, kriegst du vielleicht sogar ’ne Nummer umsonst  – als Cop und so.«
    Rivera blieb stehen, drehte sich um und starrte seinen Partner an. Ein Dutzend zerlumpter Männer in der Schlange starrte ihn ebenfalls an, denn Cavuto verdunkelte den Flur wie eine Sonnenfinsternis.
    »Am besten schaffe ich das gruselige Mädchen zu dir nach Hause und filme, wie sie dich zum Weinen bringt.«
    Cavuto sank in sich zusammen. »Entschuldige. Das Ganze geht mir irgendwie an die Nieren. Ich kann mich nur noch mit Sticheleien ablenken.«
    Rivera konnte ihn verstehen. Fünfundzwanzig Jahre war er ein ehrlicher Polizist gewesen. Hatte nie auch nur einen Cent Bestechungsgeld genommen, hatte nie unnötig Gewalt angewendet, hatte nie einflussreichen Leuten besondere Gefallen getan, was auch der Grund war, wieso man ihn noch nicht befördert hatte, doch dann war diese Rothaarige aufgetaucht,
und mit ihr das V-Wort-Problem, und dieser Alte mit seiner Jacht voller Geld, und es war ja nun nicht gerade so, als konnten sie irgendwem davon erzählen. Die Zweihunderttausend, die er und Cavuto genommen hatten, waren nicht wirklich Bestechungsgeld, sondern eher  – nun  – Kompensation für den mentalen Druck. Es war belastend, ein Geheimnis mit sich herumzutragen, das man nicht nur nicht erzählen durfte, sondern das einem auch niemand glauben würde, wenn man es doch täte.
    »Hey, wisst ihr eigentlich, wieso es im Tenderloin so viele einbeinige Nutten gibt?«, fragte ein Mann, der seinen Schlafsack wie einen Umhang trug.
    Rivera und Cavuto wendeten sich der Hoffnung auf humoristische Entspannung zu wie Blumen der Sonne.
    »Rollige Kannibalen«, sagte der Schlafsackmann.
    Nicht witzig, echt nicht. Die Cops trabten weiter. »Wenn du wüsstest…«, sagte Rivera über seine Schulter hinweg.
    »Hey, wo sind die anderen geblieben?«, fragte eine Frau im orangefarbenen Parka. »Habt ihr Penner schon wieder alle hochgenommen?«
    »Wir nicht«, sagte Cavuto.
    Sie gingen an der Cafeteria-Schlange entlang. Ein gut aussehender junger Latino mit Priesterkragen winkte ihnen über die Köpfe der Wartenden hinweg, sie sollten um den Tresen herum und mit nach hinten kommen. Pater Jaime. Man kannte sich. Im Tenderloin passierten viele Morde, aber nur wenige der geistig Zurechnungsfähigen wussten, was im Viertel so lief.
    »Hier entlang«, sagte Pater Jaime. Er führte sie durch eine kleine Küche und den Spülraum in einen kalten Betonflur,
der zu den Duschen ging. Der Pater nahm einen Schlüsselring von seinem Gürtel und öffnete eine grüne Tür. »Schon seit einer Woche bringen sie uns diese Sachen, aber heute früh hatten bestimmt fünfzig Leute was abzugeben. Sie sind ganz krank vor Angst.«
    Pater Jaime knipste eine Lampe an und trat beiseite. Rivera und Cavuto traten in einen sonnengelben Raum mit schlachtschiffgrauen Regalen an den Wänden. Auf allen Waagerechten stapelten sich Kleider, allesamt  – unterschiedlich dick  – mit ölig grauem Staub überzogen. Rivera nahm eine wattierte Nylonjacke, die zum Teil zerfetzt und blutbespritzt war.
    »Diese Jacke kenne ich, Inspektor. Der Mann, dem sie gehört, heißt Warren. Hat in Vietnam gekämpft.«
    Rivera wendete sie in der Luft und gab sich alle Mühe, nicht zusammenzuzucken, als er das Muster der Risse im Stoff erkannte.
    Pater Jaime sagte: »Ich sehe diese Männer jeden Tag, und sie tragen immer dasselbe. Es ist ja auch nicht so, als hätten sie einen Schrank voller Kleider und könnten sich was aussuchen. Da diese Jacke hier ist, läuft Warren entweder frierend in der Kälte herum, oder ihm ist was passiert.«
    »Und Sie haben ihn

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