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BIS(S) ZUM ERSTEN SONNENSTRAHL

BIS(S) ZUM ERSTEN SONNENSTRAHL

Titel: BIS(S) ZUM ERSTEN SONNENSTRAHL Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephenie Meyer
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schriller Stimme nach. »Leg dir mal ein bisschen mehr Rückgrat zu, Diego. Riley ist nicht hier.«
    Kevin sprang über den Honda, der auf dem Dach lag, und zerschlug das Fenster auf der Fahrerseite, das bis dahin aus unerfindlichen Gründen heil geblieben war. Er angelte durch die zerbrochene Scheibe hindurch und am Airbag vorbei, der schon wieder die Luft verlor, nach der Fahrerin.
    Ich drehte ihm den Rücken zu, hielt den Atem an und tat mein Bestes, um einen klaren Kopf zu behalten.
    Ich ertrug es nicht, Kevin beim Trinken zuzusehen. Dazu war ich selbst zu durstig, aber ich wollte auch keinen Streit mit ihm anfangen. Ich konnte nun wirklich darauf verzichten, auf Raouls Abschussliste zu geraten.
    Diese Probleme hatte der blonde Junge nicht. Er stieß sich von den Backsteinen über unseren Köpfen ab und landete geschmeidig hinter mir. Ich hörte, wie er und Kevin sich anknurrten und dann ein nasses, sattes Reißen, als die Schreie der Frau abbrachen. Wahrscheinlich hatten sie sie in zwei Hälften gerissen.
    Ich versuchte nicht darüber nachzudenken. Aber ich nahm die Hitze und das Tropfen von Blut hinter mir wahr und meine Kehle begann fürchterlich zu brennen, obwohl ich gar nicht atmete.
    »Ich verschwinde«, hörte ich Diego murmeln.
    Er duckte sich in eine Lücke zwischen den dunklen Häusern und ich heftete mich an seine Fersen. Wenn ich nicht schnell hier wegkam, würde ich mich mit Raouls Schwachköpfen um einen Körper streiten, durch den inzwischen sowieso nicht mehr viel Blut fließen konnte. Und dann wäre
ich
vielleicht diejenige, die heute nicht zurückkam.
    Ah, wie meine Kehle
brannte!
Ich biss die Zähne zusammen, um nicht vor Schmerzen laut zu schreien.
    Diego flitzte durch eine schmale Sackgasse voller Müll und huschte dann - als er das Ende erreichte - die Wand hinauf. Ich krallte die Finger in die Ritzen zwischen den Backsteinen und zog mich hinter ihm hoch.
    Auf dem Dach rannte Diego los, er sprang leichtfüßig über die anderen Dächer hinweg auf die Lichter zu, die sich im Sund spiegelten. Ich blieb dicht hinter ihm. Ich war jünger als er und daher stärker - es war gut, dass wir Jüngeren die Stärksten waren, sonst hätten wir nicht mal eine Woche in Rileys Haus überlebt. Ich hätte ihn leicht überholen können, aber ich wollte sehen, wo er hinrannte, und ich wollte ihn nicht
hinter
mir haben.
    Diego hielt lange Zeit nicht an; wir hatten schon beinahe den Industriehafen erreicht. Ich konnte hören, wie er leise vor sich hin murmelte.
    »Idioten! Als hätte Riley nicht gute Gründe für die Anweisungen, die er uns gibt. Selbstschutz, zum Beispiel. Ist ein Hauch gesunder Menschenverstand wirklich zu viel verlangt?«
    »Hey«, rief ich. »Gehen wir irgendwann heute noch mal auf die Jagd? Meine Kehle steht schon in Flammen.«
    Diego landete am Rand eines großen Fabrikdachs und wirbelte herum. Ich sprang ein paar Meter zurück, ich war auf der Hut, aber er wirkte nicht aggressiv und kam auch nicht auf mich zu.
    »Ja, klar«, sagte er. »Ich wollte nur einen gewissen Abstand zwischen mich und diese Geistesgestörten bringen.«
    Er lächelte ganz freundlich und ich starrte ihn an.
    Dieser Diego war nicht wie die anderen. Er war irgendwie ...
ruhig.
Ich glaube, das wäre das richtige Wort. Normal. Na ja, jetzt nicht mehr normal, aber früher einmal. Seine Augen waren von einem dunkleren Rot als meine. Er musste schon eine ganze Weile hier sein, genau, wie ich gehört hatte.
    Von der Straße drangen die nächtlichen Geräusche eines der verwahrlosteren Viertel von Seattle zu uns herauf. Ein paar Autos, Musik mit dröhnenden Bässen, einige wenige Leute, die mit nervösen, schnellen Schritten unterwegs waren, ein Betrunkener, der in der Ferne falsch sang.
    »Du bist Bree, stimmt's?«, fragte Diego. »Eine von den Neulingen.«
    Das gefiel mir nicht.
Neulinge.
Egal. »Ja, ich bin Bree. Aber ich bin nicht mit der letzten Gruppe gekommen. Ich bin schon fast drei Monate alt.«
    »Ganz schön cool, wenn man bedenkt, wie jung du bist«, sagte er. »Nicht viele hätten es geschafft, einfach so von der Unfallstelle zu verschwinden.« Er sagte das wie ein Kompliment, so, als wäre er ernsthaft beeindruckt.
    »Wollte nicht mit Raouls Deppen aneinandergeraten.«
    Er nickte. »Du sagst es. Diese Typen sorgen nur für Negativschlagzeilen.«
    Schräg. Diego war schräg. Es klang, als führte er ein ganz normales altmodisches Gespräch mit mir. Ohne Feindseligkeit, ohne Misstrauen. Als würde er nicht

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