BIS(S) ZUM ERSTEN SONNENSTRAHL
Pulsschlags ganz dicht unter der Oberfläche hören.
Sie öffnete den Mund, um zu schreien, aber meine Zähne durchtrennten ihre Luftröhre, bevor ein Laut herausdringen konnte. Man hörte nur das Gurgeln von Luft und Blut in ihrer Lunge und ein leises Stöhnen, das ich nicht unterdrücken konnte.
Das Blut war warm und süß. Es löschte das Feuer in meiner Kehle, linderte die nagende, kribbelnde Leere in meinem Magen. Ich saugte und schluckte und nahm alles andere nur undeutlich wahr.
Ich hörte dasselbe Geräusch von Diego - er hatte sich über den Mann hergemacht. Die andere Frau lag bewusstlos auf dem Boden. Keiner von beiden hatte noch ein Geräusch von sich gegeben. Diego war gut.
Das Problem mit den Menschen war, dass sie nie genug Blut in sich hatten. Es kam mir so vor, als wäre das Mädchen schon Sekunden später ausgetrocknet. Frustriert schüttelte ich ihren schlaffen Körper. Meine Kehle begann bereits erneut zu brennen.
Ich ließ den aufgebrauchten Körper zu Boden fallen und kauerte mich an die Wand, überlegte, ob ich es schaffen könnte, mir das bewusstlose Mädchen zu schnappen und mit ihr abzuhauen, bevor Diego mich einholte.
Diego war bereits fertig mit dem Mann. Er sah mich mit einem Ausdruck an, den ich nur als ... verständnisvoll bezeichnen konnte. Aber vielleicht lag ich damit auch völlig falsch. Ich konnte mich an niemanden erinnern, der mir je mit Verständnis begegnet wäre, deshalb wusste ich auch nicht genau, wie das aussah.
»Nimm sie dir«, erklärte er und wies mit dem Kopf zu dem schlaffen Mädchen auf dem Boden.
»Machst du Witze?«
»Nee, mir reicht's erst mal. Wir haben genug Zeit, heute Nacht noch mehr zu jagen.«
Während ich ihn aufmerksam auf kleinste Anzeichen für eine List hin beobachtete, stürzte ich nach vorn und griff mir das Mädchen. Diego machte keine Anstalten, mich zurückzuhalten. Er wandte sich leicht ab und sah in den schwarzen Himmel hinauf.
Ich grub meine Zähne in ihren Hals und hielt meinen Blick weiterhin auf ihn gerichtet. Diese hier schmeckte sogar noch besser als die andere. Ihr Blut war vollkommen sauber. Das Blut des blonden Mädchens hatte den bitteren Nachgeschmack gehabt, den Drogen mit sich brachten - ich war so sehr daran gewöhnt, dass es mir kaum aufgefallen war. Ich bekam selten richtig sauberes Blut zu trinken, weil ich mich an die Abschaumregel hielt. Diego schien sich auch an die Regeln zu halten. Er musste gerochen haben, worauf er da verzichtete.
Warum hatte er das getan?
Als der zweite Körper leer war, fühlte sich meine Kehle besser an. Ich hatte viel Blut getrunken. Wahrscheinlich würde ich ein paar Tage lang kein Brennen verspüren.
Diego wartete immer noch und pfiff leise durch die Zähne. Als ich den Körper mit einem dumpfen Schlag zu Boden fallen ließ, wandte er sich mir zu und lächelte.
»Ah, danke«, sagte ich.
Er nickte. »Du sahst so aus, als hättest du es nötiger als ich. Ich kann mich noch erinnern, wie schwierig es am Anfang ist.«
»Wird es irgendwann einfacher?«
Er zuckte die Achseln. »In gewisser Weise.«
Wir sahen uns einen Augenblick lang an.
»Warum versenken wir die Leichen nicht im Sund?«, schlug er vor.
Ich bückte mich, nahm die tote Blondine und warf mir ihren schlaffen Körper über die Schulter. Als ich gerade nach der anderen greifen wollte, kam Diego mir zuvor, den Zuhälter bereits auf dem Rücken.
»Hab sie«, sagte er.
Ich folgte ihm die Mauer hinauf und dann hangelten wir uns an den Trägern der Autobahnbrücke entlang. Die Scheinwerfer der Autos unter uns erfassten uns nicht. Ich dachte daran, wie dumm die Menschen waren, wie blind, und ich war froh, dass ich nicht zu den Ahnungslosen gehörte.
Von der Dunkelheit verborgen, kamen wir zu einem leeren Dock, das jetzt in der Nacht verschlossen war.
Diego zögerte keine Sekunde am Ende der Betonmauer, sondern sprang mit seiner klobigen Last einfach von der Kante herab und verschwand im Wasser. Ich tauchte hinter ihm ein.
Er schwamm so geschmeidig und schnell wie ein Hai und schoss immer tiefer und weiter in den schwarzen Sund hinaus. Plötzlich hielt er an, als er gefunden hatte, wonach er suchte - einen riesigen, schlammigen Felsbrocken auf dem Meeresgrund, an dem Seesterne und Müll festhingen. Wir mussten über dreißig Meter tief sein - einem Menschen wäre es hier unten pechschwarz vorgekommen. Diego ließ die Leichen los. Sie schaukelten sanft neben ihm in der Strömung, während er seine Hand in den schmutzigen Sand
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