Bissgeschick um Mitternacht
am Tischtuch. Zwei alte Damen, die wie Zwillinge beide in ein apricotfarbenes Kostüm gekleidet waren, studierten die Getränkekarte mit zusammengekniffenen Augen. Ein altes Ehepaar saß in einer Ecke und sah Frau Schaumburg erwartungsvoll an. Die Frau war so dick, dass sie zur Hälfte mit auf dem Stuhl ihres Mannes saß, der so dünn war, dass er auf die Stuhllehne gepasst hätte. Sie sahen aus wie Elefant und Heuschrecke.
»Fang endlich an, du Moccamundschenk!«, rief Oma Zezci.
Hildegard Schaumburgs Lächeln gefror; sie sah Oma Zezci kurz an und fuhr schließlich fort: »Bevor wir mit dem Quiz beginnen – und zwar beginnen wir sofort«, fügte sie mit Blick auf Oma Zezci hinzu, »möchte ich nur noch kurz erwähnen, dass es heute zwei hochwertige Lamadecken der Firma Dala zu gewinnen gibt. Damit nicht nur das Gehirn, sondern auch die Knochen meiner Moccastubengäste bestens umsorgt werden.« Hildegard Schaumburg zwinkerte ins Publikum.
Das siebenjährige Mädchen hatte die Brille wieder aufgesetzt und sah die Besitzerin der ›Moccastube‹ ernst an.
»Wieso gibt es nicht mal etwas wirklich Nützliches zu gewinnen wie eine schöne Sammeltasse?«, fragte eine der Damen im apricotfarbenem Kostüm.
»Genau. Oder einen Sarg«, sagte Oma Zezci.
Alle Köpfe der rätselfreudigen Gäste drehten sich zu Zezcilia Morta Dentiba Tepes um. Ein paar Sekunden war es in der ›Moccastube‹ so still, dass man den Milchschaum knistern hörte.
Rose Wagenzink lächelte und legte einen Arm um Oma Zezci. »Ein Sarg ist zugegebenermaßen eine sehr nützliche Altersvorsorge, nicht wahr?«
Die Damen in Apricot zogen die Augenbrauen zusammen.
»Keine Angst, ich meine ja keinen normalen Sarg«, erklärte Oma Zezci. Erleichterung machte sich auf den Gesichtern der Gäste breit. »Ich rede von einem Sarg mit samtenen Polstern, mit Massageunterlage, mit Leselampe, Knabberschälchen für marinierte Schweineborsten und eingebautem Bildschirm, auf dem man Rennzeckenwettkämpfe, Mäuseschwanzschießen oder Tetbiss spielen kann.«
Die Erleichterung auf den Gesichtern der Gäste war schlagartig wieder verschwunden.
Hildegard Schaumburg räusperte sich abermals. »Ich würde vorschlagen, wir beginnen jetzt einfach. Sind alle bereit? Hier kommt sie, die erste Frage. Und zwar aus der Kategorie Musik. Bitte vervollständigen Sie die folgenden drei Schlagertexte. Der erste Text beginnt so: Marmor, Stein und Eisen bricht, aber ...« Frau Schaumburg sah mit Schlaumeierblick in die Runde.
»Aber unsere Eckzähne nicht«, rief Oma Zezci.
»Nein! Nicht doch.« Opa Gustav sah sie verstört an. »Es heißt ›aber unsere Liebe nicht‹.«
»Unsere Liebe?«, fragte Oma Zezci.
»Aber ja doch, unsere Liebe«, bestätigte Opa Gustav.
Oma Zezci warf Oma Rose einen fragenden Blick zu.
Opa Gustav nutzte die Gelegenheit, schnappte sich Stift und Quizzettel und trug die Lösung ein.
»Der Text der nächsten beliebten Melodie beginnt so«, fuhr Frau Schaumburg fort. »Manchmal spielt das Leben mit dir gern Katz und Maus, immer wird's das geben, einer, der ...«
»... saugt dich aus.« Oma Zezci zeigte auf den Zettel. »Aufschreiben.«
Oma Rose räusperte sich. »Ich glaube, es muss heißen ›einer, der trickst dich aus‹.«
Opa Gustav nickte und schrieb es auf.
»Und der dritte Schlagertext, liebe Rätselfreunde«, verkündete die Besitzerin der ›Moccastube‹. »Er beginnt mit den Worten ›Ich will keine Schokolade, ich will lieber ...‹«
»Ein Fass Blut«, sagte Oma Zezci und schlug mit der Faust auf den Tisch, als wollte sie das Fass gleich bestellen.
Opa Gustav schüttelte den Kopf. »Ich will lieber einen Mann.«
Oma Zezci zuckte mit den Schultern. »Jeder, wie er mag.«
»Die nächste Frage kommt aus dem Bereich Geschichte«, fuhr Hildegard Schaumburg fort. »Wie kam der Erzherzog Franz Ferdinand, Thronfolger von Österreich-Ungarn, 1914 ums Leben?«
»Durch ein Attentat mit Schusswaffe in Sarajevo«, flüsterte Oma Rose ihrem Mann zu, der sofort mitschrieb, denn bei Geschichtsfragen vertraute er seiner Frau blind.
»Meine liebe Rose«, sagte Oma Zezci. »Ich widerspreche dir nur ungern, aber das ist leider falsch. Dieser Franz Ferdi fiel einer Hungerattacke mit spitzen Eckzähnen zum Opfer.«
Oma Rose sah Zezcilia flehend an und schüttelte den Kopf.
»Doch, so war es. Ich werde es ja wohl wissen, schließlich war ich selbst dabei«, sagte Oma Zezci.
»1914?« Opa Gustav zog beide Augenbrauen hoch. »Da warst du doch noch
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