Bissgeschick um Mitternacht
besser.«
Silvania verzog den Mund. »Gumox. Einen unablässigen Flugzwang nennst du besser? Ständig reißt es mich in die Höhe wie ein Drache im Herbstwind.«
Seit der Pause vor der letzten Stunde hob Silvania ständig vom Boden ab. Da sie unter Flugangst litt, war das alles natürlich besonders schlimm für sie.
Helene, Ludo und Daka hielten sie abwechselnd fest und führten sie wie einen mit Helium gefüllten Luftballon mit sich, damit Silvania nicht in die oberen Luftschichten auf Nimmerwiedersehen davonflog.
»Bestimmt gehen der Flugzwang und die Stachelbeine schon auf dem Heimweg wieder weg«, sagte Helene.
»Na hoffentlich«, murmelte Silvania kopfüber. »Morgen ist schließlich unser Geburtstag. Den wollte ich eigentlich nicht irgendwo wie ein Luftballon an der Decke schwebend verbringen.«
»Besser als mit Schnauzer und meterlangen Achselhaaren«, fand Daka. Dann wandte sie sich an, Ludo und Helene: »Ihr kommt doch zur Geburtstagsparty, oder?«
Helene und Ludo nickten sofort. »Hauptsache, ihr habt dann nicht einen unablässigen Bisszwang«, sagte Helene.
»Versprechen können wir nichts«, erwiderte Daka.
»Kommt lieber mit Halskrausen zur Party«, riet Silvania. Dann seufzte sie. So hatte sie sich ihren 13. Geburtstag nicht vorgestellt. Sie wollte einen netten, normalen Geburtstag mit Torte, Geschenken, Freundinnen zum Kichern und Jungs zum Tanzen. Vor allem einen Jungen. Oder zwei. Am liebsten hätte Silvania Jacob, ihren Nachhilfelehrer, eingeladen. Oder Bogdan, ihren Schlammkastenfreund aus Transsilvanien. Da war sich Silvania nicht ganz sicher. Aber die Entscheidung hatte sich sowieso erübrigt. Denn was, wenn ihr beim Tanzen mit Jacob plötzlich eine dritte Brust wuchs? Oder kurz vorm Kuss mit Bogdan ein Vollbart? Schlotz zoppo und Fumpfs!
»Dann sehen wir uns also spätestens morgen Nachmittag bei uns«, sagte Daka und nahm Ludo Silvanias Haare ab. »Jetzt müssen wir dringend zum Blutkränzchen nach Hause. Oma Zezci soll heute zu Besuch kommen. Da gibt es sicher jede Menge zensatoi futzi Bluthäppchen.«
Silvania sah zum Himmel. »Machen wir die Fliege. Wenn wir über der dichten grauen Wolkenschicht fliegen, sieht uns sowieso keiner.«
Kaum hatte sie das gesagt, schoss sie wie eine Rakete in die Höhe und zerrte Daka gleich mit sich hinterher.
»Azdiiiooooo!«, rief Daka. Eine Sekunde später waren die Vampirschwestern in den Wolken verschwunden.
Ludo und Helene starrten mit offenen Mündern auf den Regenhimmel.
»Wenn sie jetzt mal bloß nicht ihre Flugfähigkeit verlieren«, sagte Ludo.
»Hast du schon eine Idee, was du den beiden zum Geburtstag schenkst?«, fragte Helene.
Ludo schüttelte den Kopf. Über ein Geschenk hatte er noch keine Sekunde nachgedacht. Unter anderem auch, weil sein Kopf seit heute Morgen wie benebelt war. Es war ein kalter, feuchter Nebel wie von einer fernen Insel. Ludo spürte, dass sich in diesem Nebel etwas verbarg. Etwas Großes, Fremdes, Mächtiges. Etwas, dass für sie alle eine Gefahr bedeutete. »Ich weiß nicht, ich habe so ein komisches Grummeln im Magen«, sagte er langsam.
»Das habe ich nach der letzten Stunde auch immer. Das nennt man in Fachkreisen Hunger«, erwiderte Helene.
Ludo sah Helene mit seinen ockerfarbenen Augen ernst an. »Ich bin mir ganz sicher: Etwas liegt in der Luft. Spürst du ihn nicht auch, diesen kühlen Lufthauch?«
Blutkränzchen
D er Esstisch im Wohnzimmer der Familie Tepes war an diesem späten Nachmittag reich gedeckt. Es gab Schwarzwälderbluttorte, Kalten Hund, Saumagensargtorte, bestes Obst mit Würmern und für den herzhaften Genuss marinierte Schweineborsten, blutige Schlachterplatte, Blutwurstklöpschen und Rohpresswurst. An der Hausbar wurden Gläser mit Blubberblutbowle, Bloody Mary und Karpovka gereicht. Auf Wunsch wurde von Mihai Tepes jedes Getränk mit einem großzügigen Schuss aus der Blutampulle verfeinert.
Gerade erhob der Hausherr feierlich das Glas. »Ich freue mich außerordentlich, dass wir alle hier versammelt sind und endlich auch dich, verehrte Frau Mama, liebe Oma Zezci, in unserem neuen Domizil in Bindburg begrüßen können. Darauf ein kräftiges Schnappobyx!«
»Schnappobyx!«, riefen Daka, Elvira und Oma Zezci, die mit am Tisch saßen.
»...byx«, kam es leise von der Decke. Entgegen allen Hoffnungen hatte sich Silvanias krankhafter Flugzwang noch nicht wieder gelegt. Auch die Limette-Meerrettich-Lavendel-Paste von Oma Rose hatte nicht geholfen. Silvania schwebte kopfüber neben
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