Bissige Gäste im Anflug
ab.
Helene stand neben Elvira Tepes, hatte den Schüsselhelm tief ins Gesicht gezogen und bewarf die Riesenfledermäuse mit Äpfeln, Tomaten, Kohlrabi und was sie sonst noch in den Kisten um sie herum entdeckte. »Verfliegt euch, ihr Ungeheuer!«, schrie sie.
Frau Tepes stand wie gelähmt in der Halle. Sie sah, wie ihr Mann immer mehr und immer heftiger von den Transgiganten bedrängt wurde. Immer dichter flogen sie an ihn heran. Immer bösartiger fauchten sie. Immer dunkler wurden die Wolken, die sie aus den Nasenlöchern stießen. Sie rochen auch immer schlimmer.
»KRAWALLERI!«, rief Herr Tepes unbeirrt.
Doch seine Frau sah, dass seine ›Krawallen‹ nicht wie geplant nach vorne, sondern nach hinten losging. So hatte sie ihren Mann noch nie gesehen: so mutig, so kämpferisch, und gleichzeitig so machtlos. Würde nicht ein Wunder geschehen, würden sie nicht nur diesen einen Kampf verlieren, sondern auch jämmerlich zugrunde gehen. Zwischen Gurken und Rettich, in einer Großmarkthalle. Frau Tepes zog sich vor Hilflosigkeit und Angst das Herz zusammen. Sie sah, wie eine der Riesenfledermäuse hinter Mihai Tepes' Rücken die Krallen nach ihm ausstreckte.
»MIHAI!«, schrie sie. »Pass auf!«
Herr Tepes schreckte auf und stürzte um eine Körperlänge nach unten. Sowohl wegen der Fledermauskrallen als auch wegen seiner Frau. Er hatte sie tatsächlich für ein paar Sekunden vollkommen vergessen. Das war noch nie vorgekommen. Und es war unverzeihlich. Vor allem in dieser Situation. »ELVIRA!«, brüllte er nach unten und stieß nebenbei mit der Gehhilfe nach einem Transgiganten, der sich bedrohlich näherte. »Setz deine Waffe ein.«
»MEINE WAS?«
»DEINE W-A-F-F-E!«, brüllte Mihai. »Du weißt schon, deinen KLANGKÖRPER.«
Plötzlich erinnerte sich Elvira an das, was ihr Mihai im Dacia erzählt hatte. An die zwei Möglichkeiten, Transgiganten in die Flucht zu schlagen. An die Gewalt. Und an das Schrille Q. Sie wusste nicht, ob sie den richtigen Klangkörper hatte. Sie konnte es nur versuchen.
Elvira Tepes stellte sich auf eine Kiste Bananen, öffnete die Arme, als würde sie einen Elefantentragen und begann zu schreien:»QQQQQQQqqqqq-QQQQQQqqqqqQQQQQ!«
Helene, die direkt neben ihr stand, ließ die Maiskolben in der Hand fallen und hielt sich sofort die Ohren zu.
Daka, Silvania und Mihai verzogen an der Hallendecke die Gesichter.
Die Riesenfledermäuse blickten dumpf geradeaus.
Die Transgiganten sahen verwirrt und ratlos nach unten. Keiner von ihnen zuckte auch nur mit der Oberlippe. Auch nicht mit der Unterlippe. Keiner krümmte sich und erst recht ergriff keiner die Flucht.
Elvira Tepes schrie, bis ihr die Luft ausging. Ihr Gesicht bekam einen lila Schimmer. Dann atmete sie tief ein und sah nach oben. Fünf Transgigantenaugenpaare, ein Vampiraugenpaar und zwei Halb-vampiraugenpaare sahen auf sie herab. Mihai Tepes schüttelte langsam den Kopf. Es hatte nicht funktioniert.
Enttäuscht sah Elvira Tepes an sich herab. Sie hatte wohl nicht den richtigen Klangkörper. Doch Elvira Tepes war keine Frau, die einfach aufgab.
Schon gar nicht, wenn so viel auf dem Spiel stand wie in diesem Moment.
Frau Tepes wollte gerade für das nächste mehr oder weniger schrille Q Luft holen, als sie auf einmal eine Idee hatte: Vielleicht klang das Q vollendeter und schriller, wenn man es mit einem ganzen Wort hinausschrie. Genau, das war es! Elvira war sich sicher. Sie reckte das Kinn in die Höhe und stieß alle Wörter mit Q aus, die ihr gerade einfielen: »QUARKKEULCHEN, QUACKSALBER, QUADRATLATSCHEN, QUALIFIKATIONSRUNDE, QUATSCHKOPF, QUETSCHKARTOFFELN, QUIETSCHEENTCHEN, QUASSELSTRIPPE, QUANTENSPRUNG ... quieck.«
Frau Tepes' Gesicht war jetzt dunkellila. Gesund sah das nicht aus. Sie holte schnell Luft und schielte nach oben. Was sie sah, ließ alle Hoffnungen platzen.
Nebulöse
Worte
L udo schob sich den Blumenkohl vom Kopf und die Spinatblätter von den Beinen. Wie sie dorthingekommen waren, konnte er nicht sagen. Er war wohl wieder eingeschlafen. Jemand hatte ihn in den Schlaf gewiegt. Da er allein im Kühlraum war, konnte er es nur selbst oder die Kälte gewesen sein.
Wie lange er geschlafen hatte, wusste er nicht. Er wusste nicht, ob Tag oder Nacht war. Noch, welcher Wochentag oder wo er sich befand. Das Einzige, was er mit Sicherheit (und auch mit Erleichterung) sagen konnte, war, dass ihm trotz der Kälte noch kein Finger abgebrochen war.
Vermutlich hätte Ludo bis in alle Ewigkeit geschlafen.
Weitere Kostenlose Bücher