Bissige Spiele (German Edition)
Unsicherheit – schrecklich!
Minuten mussten vergangen sein, als ich mir meines Körpers wieder bewusst wurde. Ich überprüfte die Funktionen der Hülle, die meinen kranken Geist beherbergte, doch ich fand keinerlei Anzeichen, dass irgendetwas nicht funktionieren könnte.
„Funktionieren“ war wohl bei uns Tötungsmaschinen das richtige Verb. Wieder vergingen Minuten, in denen ich mich nicht traute aufzustehen und in der Position verharrte, auch wenn es dafür keinen Anlass mehr gab. Irgendetwas sagte mir, es sei besser noch einen Moment abzuwarten.
Und dann kam der zweite Schlag!
Er schmetterte mich noch tiefer. Ich sackte auf mein steinhartes Gesäß und blieb erneut reglos auf dem Boden sitzen. Mir war schwindlig. Alles um mich herum drehte sich wie ein Karussell, während ich noch einmal versuchte wieder zur Besinnung zu kommen. Langsam verschwand die Drehung in meiner Optik wieder und mein Umfeld sah wieder so aus wie zuvor.
Doch ich hatte mich zu früh gefreut.
Und diesmal durchfuhr mich kein einzelner Schlag. Mein Körper bäumte sich auf, der dritte Schlag. Und alle weiteren nahm ich nur noch körperlich wahr. Meine Brust brannte und schmerzte, meine Beine zappelten umher, ohne dass ich einen Einfluss auf ihre Handlungen haben konnte. Meine Arme versuchten sich gegen das zu wehren, was von ihnen verlangt wurde. Vergeblich. Ein wildes Beben und Bäumen kontrollierte jede einzelne Faser meiner stählernen Hülle und verweichlichte sie in eine elastische Gummipuppe, bis ich nur noch das Blut durch meine Kehle fließen spürte und ich mich mal wieder, aber dieses Mal wesentlich heftiger und ohne Vorwarnung, auf das Straßenpflaster erbrach.
Normalerweise brach ich anschließend immer erschöpft zusammen. Soweit kannte ich mich schon in dieser neuen Begebenheit aus, doch nun tat mein Körper etwas anderes. Statt zu kapitulieren, wälzte er sich nun rastlos in der roten Brühe, bis jeder einzelne Zentimeter von mir mit Blut beschmiert war und ich nach kurzer Zeit durchtränkt war von halb verdautem A negativ.
Seit Jahrhunderten hatte ich keinen Erschöpfungszustand mehr wahrgenommen. Eisern und unermüdlich, rastlos und unverwüstlich kannte ich mich. Eine Maschine eben. Und nun lag genau diese Maschine vollkommen verschrottet am Boden!
Aufstehen konnte ich nicht, und die Ohnmacht war allgegenwärtig und beherrschte mein ganzes Sein. Doch mein Geist war unermüdlich und machte sich bereit für den Kampf gegen seine Hülle. Die sollte ihn nicht in die Knie zwingen!!! Die Jeans und das T-Shirt waren blutüberströmt und vollkommen durchweicht, klamm fühlte sich beides trotz meiner kalten Haut an, dennoch wusste ich, wenn ich mich nicht gegen diesen massiven Druck zur Wehr setzen würde, verlor ich etwas. Was es auch immer war, denn derzeit entzog es sich meiner Kenntnis. Es fühlte sich einfach nur so an, als ob Verlust das Ergebnis sein würde, wenn ich nun kampflos am Boden blieb. Aber die Tatsache, dass ich nun hier am Boden festlag, hatte auch seine Berechtigung. Ganz sicher, auch wenn ich in diesem Augenblick keine Ahnung hatte warum.
Sollte ich nicht doch einfach akzeptieren, was hier und jetzt mit mir geschah? Wenn es seine Berechtigung hatte, so ging es sicherlich so aus, wie es sein musste und richtig war.
Zu Lebenzeiten hatte ich kein Vertrauen ZUM Leben gehabt, oder vielmehr auf bittere Art und Weise verloren, nun war es an der Zeit als eiskalter Vampir Vertrauen zu entwickeln. Was konnte es schaden, wenn ich zur Abwechslung mal das annahm, was kam? Es konnte ja wohl nichts schief gehen. Ich lachte. Eine irrsinnige Diskussion, die ich mit mir selbst führte in Anbetracht der Tatsache blutverschmiert auf dem Madrider Boden fest zu sitzen. Vielleicht war ich auch schon selbst von Sinnen oder irre. Urplötzlich bekam ich einen Einblick in meinen Körper, oder vielmehr in das, was im Moment mit ihm geschah. Die Schläge! Sie kamen in regelmäßigen Abständen und endlich war ich in der Lage, den Ausgangsort bestimmen zu können. Es war mein Herz! Es schlug! Derart heftig und schnell, jede einzelne Zelle durchfuhr die Vibration und rüttelte sie auf- oder vielmehr wach. Ich Idiot!
Wie konnte ich nur so blind sein! Natürlich! Was sonst? Mein Herz forderte eine Entscheidung, oder vielmehr half es mir, eine Entscheidung zu treffen, denn wenn ich ehrlich mit mir selbst war, so fühlte ich mich in diesem Moment derart belebt und real, wie ich es schon lange, lange Zeit nicht mehr erlebt hatte.
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