Bissige Spiele (German Edition)
keiner von uns dreien ein Wort verlor. Dann war ich möglicherweise tatsächlich der erste Vampir, bei dem die Wahrscheinlichkeit so hoch war, dass ich im gesamten Vampirreich bekannt geworden war. Ich trat das Erbe dieser traurigen Liebesgeschichte an und konnte sie zum Guten wenden. Wenn ICH es schaffen sollte, wieder ein Mensch zu werden, würde ich den Schmerz des Orakels beseitigen können? Würde ich jene Wunden heilen und ein glückliches Leben in seinem Namen leben?
Würde das Orakel dann mit seinen Experimenten weitermachen, weil es mit mir den Grundstein für das Ende der Vampirwelt gelegt hat? Oder würde es aufhören und endlich die Welt der Bisse akzeptieren? Immerhin hatte ich nur kurze Zeit gebraucht, meine Natur lieben zu lernen. Was
ich
konnte, musste auch das Orakel können. Was nutzte es, andere für etwas zu bestrafen, was man nicht selber konnte?!
Der Hirsch stieß Veydland sanft mit seinem Geweih an. Ebenso sanft streifte der Sohn des Orakels mit seiner Hand über dessen Stirn.
„Ja, mein treuer Freund. Ich weiß. Es wird Zeit!“
Also hatten wir doch nicht alle Zeit der Welt, und ich bedauerte zutiefst, dass ich dieses Gespräch nun abbrechen musste. Andererseits gab es tatsächlich nichts mehr, was mir noch etwas nützen würde. Details. Wie, wann, was, wo geschehen war, blieb ohne Bedeutung und ich konnte mir vorstellen, dass auch Veydland nicht alles wusste. Sein Vater schon eher, dank seiner Augen, die uns die ganze Zeit über beobachtet hatten.
Sara sah mich erwartungsvoll an. Sicher sollte ich den ersten Schritt in das Sonnenmeer machen und ich nickte, auch wenn sie keine Frage gestellt hatte.
Ein seltsames Gefühl überkam mich, als ich das Energiefeld mit meinen Füßen betrat. Vielleicht hatte ich tatsächlich vermutet, hindurch zu sacken. Natürlich nicht. Im Gegenteil. Ein warmes, wohlwollendes Gefühl umwob meinen gesamten Fuß während meine Kleidung sich beim Eintauchen in das Feld in eine durchsichtige, milchige Struktur veränderte. Die Sonneteilchen schienen jede Faser des Stoffes für sich einzunehmen. Durchzogen sie, durchleuchteten Zentimeter um Zentimeter, bis mich meine gesamte Kleidung wie eine Klarsichthülle schimmernd und wabernd umgab.
Sara war mir gefolgt. Wortlos. Beobachtend. Mit ihr geschah das gleiche, sodass sie genau wie ich mehr mit ihrer Veränderung zu tun hatte, als mit ihrem Gegenüber.
Gemeinsam, Hand in Hand standen wir, wie transparente Statuen in einem sonnigen, warmen Ambiente und blickten uns in die Augen. Ihre Augen strahlten, hell und vollkommen. Liebevoll und voller Hingabe. Mein Herz klopfte einen sanften Rhythmus und begleitete das Gefühl der Einzigartigkeit. Ein Flimmern umgab uns, vielleicht ein Flimmern der Liebe, der Entschlossenheit und der Erregung. Wir waren bereit, in Liebe zu sterben, oder uns ein gemeinsames Leben zu schenken. Meine Brust schwoll vor Wonne, Stolz und unvorstellbarer Dankbarkeit heran. SIE war mein Leben!
Ein unnachahmlicher Augenblick des Friedens!
Langsam sanken unsere Leuchtkörper in das Sonnenmeer, nahm uns, wie eine Mutter ihr Kind fürsorglich umarmt, in sein Element, sorgte für unser Wohlbefinden mit seiner Wärme und Weichheit und das erste Mal seit Hunderten von Jahren fühlte ich mich tatsächlich wieder einmal richtig geborgen. Die schwache, längst vergessene Mutterliebe kehrte in meine Gedanken zurück und ich fragte mich, wie ich sie je hatte vergessen können. Wie konnte ich nur! Warum war mein Schmerz damals zu der Zeit als ich ein Mensch war größer als die Erinnerung an die Liebe und Geborgenheit meiner Mutter? War sie nicht unumstößlich und unzerstörbar für jeden von uns? Allein die Tatsache, von ihr das Leben geschenkt bekommen zu haben, war es wert, sie für immer in unserem Herzen zu verankern.
Diese Liebe kroch plötzlich durch meinen ganzen Körper, meinen Geist, was auch immer von ihm übrig war. Eltern! Auch meinem Vater war ich augenblicklich dankbar. Dass es ihn gegeben hatte. Dass er mich geschaffen hatte. Jene Schmerzen und Schuldzuweisungen, alle Konflikte, jeder Hauch von Wut, alle Gefühle, die mich damals in mein Vampirdasein geführt hatten, und die ich währenddessen vergessen durfte, wurden wie schwache Erinnerungen weggeweht. Hier, in diesem Raum, gab es nur die Dankbarkeit, die Anerkennung, das Feiern meiner Geburt als Mensch. Ich genoss. Den Augenblick. Das Gefühl. Die Liebe.
Sara beachtete ich kaum. Was auch immer sie fühlen würde, ich konnte mir nur
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