Bissige Spiele (German Edition)
richten.
Aber wenn man erst einmal verdammt ist ewig zu leben, und diesen unbändigen Durst verspürt, ist das Gewissen das letzte, woran man denkt.
„Ich muss!“
Sara stand auf. Mir war nicht aufgefallen, dass die Dämmerung hereingebrochen war. Anscheinend hatten wir viele Stunden ohne Reden verbracht und nun wurde es bald hell. Einen flüchtigen Blick in ihre jadefarbenen Augen und ich war fasziniert und ein wenig beschämt zugleich, und wenn ich Blut in meinen Adern gehabt hätte, so wäre ich sicherlich in diesem besonderen Augenblick rot vor Scham geworden. Wieder ruckte es in meinem Inneren und die Tatsache, dass ich meinen Kopf senkte, war ein gutes Zeichen für die Anwesenheit von Gefühlen.
Selbst mit einem Körper, der unfähig war, Liebe zu empfinden, konnte ich doch erkennen, wenn ein Mädchen sich von den anderen unterschied, und Sara tat es.
Nicht nur in der Tatsache, dass sie auf mich keinerlei Durstgelüste ausübte, ihre gesamte Erscheinung war einzigartig und hypnotisierend. Die Einfachheit in ihren Gesichtszügen und ihre Eleganz waren von einer unbeschreiblichen Ausstrahlung. Sie bewegte sich wie ein luftiges Wesen, leicht und anmutig, ohne sich jedoch eingebildet in den Vordergrund zu stellen, und wenn sie sich unter ihrer Kapuze versteckte, hätte man nicht erahnen können, welche sanfte Schönheit sich darunter verbarg.
Mein Körper fing bei dem Gedanken an zu zittern, dass sie sich nun wieder von mir entfernen würde und am liebsten hätte ich sie gezwungen hier zu bleiben, aber so hätte ich genau das Gegenteil von dem bekommen, was ich brauchte und wonach ich mich sehnte.
„Morgen zur gleichen Zeit?“ Die Frage kam so überraschend aus ihrem zarten Mund, dass meiner offen stehen blieb. Wieder spürte ich diesen eigenartigen Ruck in meinem toten Herzen und die Erinnerung an einen Luftsprung erwachte.
„Morgen! Ich werde hier sein!“, stotterte ich und sah ihr fassungslos hinterher, wie sie im immer dichter werdenden Nebel verschwand.
Mehrere Minuten mussten vergangen sein, bis ich wieder zu mir kam und bemerkte, dass ich immer noch in die Nebelwand starrte.
Die Häuserumrisse wurden immer deutlicher und die für London typischen Graugrüntöne der Fassaden und Bauwerke sagten mir, es war Zeit aufzubrechen.
Morgen, nein heute Nacht würden wir uns wieder treffen und ich konnte mein Experiment fortsetzen, denn tatsächlich reagierte mein Körper auf Sara auf eine mir längst vergessene und verborgene Weise, und ich war nicht bereit dieses neu erworbene Gefühl wieder loszulassen.
Mit schnellen Schritten ging ich den Fluss entlang, zurück zur London Bridge. Die Straßen füllten sich, der Verkehr nahm zu und ich musste zur Arbeit.
Meine Standhaftigkeit meinem Durst gegenüber war ich mehr als nur erleichtert, trotzdem war es nun an der Zeit, den Blutvorrat in meinem starren Körper aufzufrischen. An der Brücke lehnte ich mich an eine Laterne, die kurz darauf ausging und damit endgültig den nächsten Tag ankündigte. Langsam erholte ich mich von meiner Begegnung mit Sara. Hier auf der London Bridge trafen sich des Morgens viele meiner Vampirfreunde und so auch heute.
Es war ein wirklich kalter Tag. Es gab den ersten Frost und Glatteis. Nicht, dass uns das etwas ausgemacht hätte. Hitze und Kälte war für uns unerheblich, und die Kleidung ohnehin nur Maskerade. Zudem war es auch manches Mal spaßig bei Glatteis Auto zu fahren. Auch in London. Die Menschen waren dann meist sehr langsam mit ihren Autos unterwegs, oder überhaupt nicht. Also waren die Straßen sozusagen frei für eine gesunde Schlitterpartie. Durch meine schnellen Reaktionen konnte ohnehin nichts aus dem Ruder laufen, und wenn doch, dann war es höchstens schade um das tolle Auto. Unsere Körper blieben dank der steinernen Haut unverletzt.
Hugh, Robert und Jenny schlenderten mir entgegen und es war ihnen anzusehen, dass sie eine beutereiche Nacht hinter sich hatten. Wieso weiß ich nicht, aber ich empfand das erste Mal beim Anblick der von Menschenblut satten Vampire einen besonderen Ekel. Ich schüttelte mich als könnte ich den Ekel damit entfernen.
Hugh sah mich eindrucksvoll an und stellte sich auf die andere Seite der Brücke an die gegenüberliegende Laterne.
„Was ist?“, fragte er.
„Was soll sein?“, entgegnete ich.
„Siehst nicht gerade satt aus!“
Robert lachte und Jenny schloss sich an.
„Stimmt! Ich wollte gerade nach Hause, um meinen Vorrat aufzufrischen!“, erklärte ich mich,
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