Bisswunden
mich wusste! Mein Gott … «
»Wir versuchen derzeit, Ihre Tante aufzuspüren, Cat, aber bisher hatten wir kein Glück. Sie ist offensichtlich in einer bitteren Scheidung. Ihr Ehemann sagt, sie wäre seit zwei Wochen nicht mehr zu Hause gewesen.«
»Ich habe sie gestern in Natchez gesehen«, sage ich. »Sie hat …« Ich breche ab, als ich an das manische Leuchten in Tante Anns Augen denken muss.
»Was?«, fragt Kaiser. »Was wollte sie?«
Geld von meinem Großvater geborgt. Vielleicht das Geld für die Kaution von Malik? »Sie hat mit meiner Mutter über ihre Eheprobleme gesprochen, nehme ich an. Sie sagten, Sie müssten über mehrere Dinge mit mir reden. Was gibt es sonst noch?«
»Wir fanden eben eine von Maliks Patientinnen auf dem Boden in ihrer Wohnung in Metairie. Sie liegt im Koma.«
»Im Koma?«
Kaiser spricht leise weiter. »Ihr Name ist Margaret Lavigne. Sie ist siebenundzwanzig Jahre alt und wohnt drei Minuten von Ihnen weg.«
»War es die gleiche Vorgehensweise? Zwei Schüsse und Bisswunden?«
»Nein. Es war ein Selbstmordversuch. Wir fanden sie nur, weil wir ihren Namen von dem Psychologen erfahren haben, der sie an Malik überwiesen hat.«
»Sie war nicht auf der Patientenliste, die Malik Ihnen gegeben hat?«
»Exakt. Er hat sich dem Gerichtsbeschluss niemals wirklich gebeugt.«
Maliks Stimme ertönt in meinem Kopf. Sie gehören zu einer ganz besonderen Gruppe. Einer experimentellen Gruppe, einzig Frauen. Ich habe sie gegründet, nachdem ich jahrelang mit ansehen musste, wie konventionelle Therapien versagt haben. Ich habe Patientinnen ausgewählt, die in einem Stadium waren, wo der Ausbruch unterdrückter Erinnerungen ihre Leben zu zerstören begann … Ich nenne sie Gruppe X.
»Wie hat sie versucht sich umzubringen?«, frage ich und bemühe mich, meiner Stimme einen sachlichen Tonfall zu verleihen. »Wie ist es passiert?«
»Wir haben zwei Agenten zu ihr nach Hause geschickt, um sie zu befragen. Sie haben Margaret Lavigne durch ihr Schlafzimmerfenster am Boden liegen sehen, in einer Lache von Erbrochenem. Sie hat sich selbst eine massive Überdosis Insulin gespritzt.«
Viele Selbstmörder versuchen es mit Insulin, weil es die Hoffnung auf einen schmerzlosen Tod bietet. Doch in der Regel verwandeln sie sich selbst in besinnungsloses Gemüse. Ich habe diese Methode vor langer Zeit erforscht und verworfen. »Hat sie einen Abschiedsbrief hinterlassen?«
»Hat sie. Sind Sie bereit, ihn anzuhören?«
»Kommen Sie, lesen Sie schon, verdammt!«
»Es heißt dort: ›Möge Gott mir vergeben. Ein unschuldiger Mann ist tot. Bitte sagen Sie Dr. Malik, dass er der Sache ein Ende machen soll. Ich konnte ihn nicht erreichen.‹ Was sagen Sie dazu?«
Bitte sagen Sie Dr. Malik, dass er der Sache ein Ende machen soll. »Ich versuche mir einen Reim darauf zu machen.«
»Ich hatte schon ein wenig länger Zeit als Sie, Cat. Ich denke, Ihr Freund Malik hat Kinderschänder exekutiert. Ich denke, er hat seinen Patientinnen viele Jahre zugehört, wie sie ihre Horrorgeschichten erneut durchlebten. Schließlich wurde es zu viel für ihn, und er beschloss, etwas zu unternehmen. Ich kann nicht sagen, dass ich es ihm verdenke. Ich bin aus einem ganz ähnlichen Grund durchgedreht. Trotzdem dürfen wir Dr.Malik nicht herumlaufen und Kriminelle vom Angesicht dieses Planeten vertilgen lassen, ohne ihnen vorher wenigstens eine Verhandlung zu gewähren. Stimmen Sie mir darin zu?«
»Selbstverständlich. Sie haben völlig Recht.«
Kaiser schweigt für einige Sekunden. »Das Dumme bei Selbstjustiz ist immer, dass irgendwann ein Unschuldiger gelyncht wird. Miss Lavignes Abschiedsbrief verrät uns, dass genau dieser Fall eingetreten ist. Ich frage mich, was Malik macht, wenn er davon erfährt? Glauben Sie, dass er sich selbst stellen wird?«
»Ich weiß es nicht. Sie spekulieren noch. Wieso steht in Margaret Lavignes Abschiedsbrief, dass wir Malik sagen sollen, er möge der Sache ein Ende machen, und nicht, dass er damit aufhören soll?«
»Das werden wir wahrscheinlich niemals erfahren.«
»War Margaret Lavigne mit einem unserer Opfer verwandt?«
»Nicht blutsverwandt, nein. Aber ich denke, Sie werden das hier interessant finden. Miss Lavignes biologischer Vater wurde unmittelbar vor ihrem Selbstmordversuch verhaftet. Ihm werden zahlreiche Fälle der Verbreitung von Kinderpornographie vorgeworfen. Interessantes Timing, nicht wahr? Beim Verhör ist er zusammengebrochen und hat gestanden, Kinder in mehreren
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