Bisswunden
das in Ordnung für dich?«
Er geht nach draußen in den Flur und bringt mir ein drahtloses Telefon. »Solange du nichts unternimmst, was dein eigenes Leben in Gefahr bringt.«
Noch während ich nicke, beschließe ich, Michael nichts von Margaret Lavignes Selbstmordversuch oder ihrem Abschiedsbrief zu erzählen. Ich wähle die Nummer, die Malik mir gestern Abend gegeben hat, und eine synthetische Stimme fordert mich auf, meine Nachricht zu hinterlassen.
»Hier spricht Catherine Ferry. Ich habe eben erfahren, dass meine Tante Ihre Kaution bezahlt hat. Ich nehme an, sie ist eine Ihrer Patientinnen. Sie waren unaufrichtig zu mir, Doktor. Ich würde gerne so bald wie möglich mit Ihnen reden. Sie können mich unter …« Ich blicke Michael an. »Wie ist deine Nummer?«
Michael rasselt seine Telefonnummer herunter, und ich wiederhole sie für den Anrufbeantworter. »Falls Sie mich nicht innerhalb einer Stunde zurückrufen, werde ich zum fbi gehen und alles erzählen, was Sie mir bis hierher gesagt haben. Auf Wiederhören.«
Ich drücke auf den roten Knopf, um das Gespräch zu beenden, nehme ein Mobiltelefon und gehe das Nummernverzeichnis durch. Als ich Tante Ann auf dem Display stehen habe, drücke ich auf wählen.
Eine unpersönliche Frauenstimme sagt: »Die angewählte Person ist vorübergehend nicht erreichbar. Sie können nach dem Signalton eine Nachricht hinterlassen.«
Nachdem das Signal ertönt, sage ich: »Hallo, Ann, hier ist Cat. Ich bin sicher, dass zurzeit eine Menge Leute versuchen, dich zu finden. Ich will dich nicht damit belästigen. Dein Leben gehört dir allein. Aber ich weiß über dich und Nathan Malik Bescheid. Ich habe mit ihm gesprochen, und ich weiß, warum du ihn magst. Ich habe nicht die Absicht, ihm zu schaden oder irgendjemandem zu helfen, der ihm schaden will. Ich bitte dich nur darum, mich zurückzurufen. Du musst mir nichts sagen, was du nicht sagen willst. Meine Güte, wenn irgendjemand weiß, wie du dich im Augenblick fühlen musst, bin ich es. Mein ganzes Leben besteht aus Stimmungsschwankungen. Ich verspreche dir, dass ich weder Mom noch Großvater irgendwas sagen werde, und ich werde auch nicht mit dem fbi reden. Tatsächlich möchte ich mit dir über Großvater sprechen. Und über Daddy. Ich versuche etwas über meine Kindheit herauszufinden, und ich habe das Gefühl, du könntest mir dabei helfen. Bitte, bitte ruf mich zurück. Danke.«
Michael starrt mich inzwischen an wie ein Arzt seinen Patienten, als wollte er sich darüber klar werden, ob ich selbst in eine manische Phase eingetreten bin. Ich bin versucht, meine Mutter anzurufen und sie zu fragen, ob sie weiß, wo Ann ist, doch ich entscheide mich dagegen. Ich würde damit nichts erreichen, außer meine Mutter in Panik zu versetzen. Wenn Ann verschwinden will, dann ist niemand aus unserer Familie imstande, sie zu finden. Sie hat viel zu viel Übung im Verschwinden.
»Was kann ich tun?«, fragt Michael.
»Du hast bereits alles getan. Du hast mir ein Dach über demKopf gegeben. Jetzt ist es für mich an der Zeit, ein paar Entscheidungen zu treffen.«
»Wie stabil ist deine Tante?«
»Zwei Selbstmordversuche, von denen ich weiß. Einen während der College-Zeit und einen mit Ende dreißig. Wenn meine Mutter in den nächsten fünf Minuten anruft und mir mitteilt, dass Tante Ann tot ist, wäre ich nicht überrascht.«
»Jesses.«
»Genau. Sie war besessen davon, ein Baby zu bekommen, aber sie wurde nie schwanger. Unglaubliche Stimmungsschwankungen. Ihre Leber schwimmt in Alkohol.«
»Was war diese andere Sache, die Kaiser dir noch erzählt hat? Hat das fbi ein weiteres Mordopfer gefunden?«
Ich zögere. »Darüber darf ich nicht sprechen. Ich möchte dir nicht zu nahe treten, aber die Sonderkommission versteht nicht den geringsten Spaß, was Geheimhaltung angeht.«
Er sieht mich misstrauisch an. Vergangene Nacht habe ich eindeutig jede Vorschrift über Vertraulichkeit gebrochen, als ich mit ihm geredet habe, also wieso zögere ich jetzt …
»Cat?«
Bevor ich antworten kann, läutet Michaels Telefon. Auf dem Display steht Unbekannter Anrufer. Ich zeige es ihm. »Darf ich rangehen?«
Er nickt.
»Hier spricht Dr. Ferry.«
»Hallo, Catherine.«
Ich nicke Michael zu und sage lautlos Malik. »Was für ein verdammtes Spiel haben Sie mit mir gespielt, Doktor? Sie haben sich verhalten, als hätten Sie eine paranormale Begabung mit Ihren Diagnosen meiner Probleme und Ihren Andeutungen über meine Familie! In Wahrheit
Weitere Kostenlose Bücher