Bist du mein Kind? (German Edition)
diesem Moment faul, schläfrig und zu nichts zu gebrauchen bin, schicke ich Leon auch nach draußen. Wieder lausche ich. Friedlich ist es.
Wie von der Tarantel gestochen, schrecke ich hoch. Es ist halb acht. Irgendetwas stimmt nicht! Ich höre keine Schweine und vor allem, keine Kinder. Wolfgang liegt immer noch im Koma. Ich laufe in den Hof. Nichts. Keine Schweine, keine Kinder. Ein Kloß setzt sich in meinen Hals. Klar, alte Mutter, übervorsichtig, Glucke. Panik!
Da fällt mir die Küchentür ins Auge. Sie steht offen. Ich renne so schnell ich kann hinüber.
Ich höre Marie summen. Außer Atem stürze ich in die Küche.
Da sitzen sie: zwei Schlafanzug-Schlamm bekleidetet Jungs. Jeder eine große Tasse Kakao vor sich und in der Mitte des Tisches steht ein Teller voller Croissants. Leon steckt gerade seine Hand danach aus.
Marie sieht mich und sagt nur: „Guten Morgen. Warum bist du so erschrocken? Deine Kinder können hier nicht verloren gehen. Wir sind nach außen abgeschottet. Wenn du sie nicht sehen kannst, sind sie irgendwo im Hof unterwegs. Oder mit Jean am Teich oder auf den Weiden. Du brauchst keine Angst zu haben. Sie sind hier absolut sicher.“
Mir fällt ein Hinkelstein vom Herzen. Zugleich bin ich sehr berührt von dieser warmherzigen Frau. Dass sie sofort meine Panik erkannt hat und sich nicht über meine „Gluckerei“ lustig gemacht hat, gefällt mir. Sie hat mir einfach das Gefühl gegeben, dass ich ganz normal bin. Wo ich doch zuhause immer hören muss, ich sei eine Glucke und müsse die Kinder auch mal ziehen lassen. Leichter gesagt als getan, wenn man mit 35 Jahren nach endlosen Versuchen sein erstes Kind bekommt. Aber vielleicht kann ich ja hier etwas dazu lernen.
Ich lasse die Kinder in Maries Obhut und gehe zurück zu unserer Scheune. Ein total verzottelter Wolfgang sitzt mit dicken Augen und einem dicken Baby im Bett. Er trotzt: „ Wo warst du denn, Timo hat mich geweckt. Ich habe doch Urlaub.“
Ich bin mir nicht sicher, ob ich lachen oder wütend sein soll, aber da ich auch Urlaub habe, entschließe ich mich, zu lachen. Das bringt den Herrn Schlafmütze komplett auf die Palme.
„Nimm mal das Kind“ mault er.
Ich schnappe mir Timo und knuddel ein bisschen mit ihm rum. Wolfgang schlurft ins Bad und ich säusele: „ Schatz, ich finde es klasse, dass du Frühstück machen willst. Ich wickel in der Zwischenzeit den Kleinen.“ Ich höre nur ein Grunzen, aber dann klappern in der Küche Teller und Besteck.
Nach unglaublichen 45 Minuten (so schnell war er noch nie) ist das Frühstück fertig. Ich gehe zur Tür und pfeife unseren Familienpfiff. Den haben wir irgendwann mal festgelegt, weil die Kinder darauf besser reagieren, als wenn wir sie einzeln rufen. Und prompt kommen Maxi und Leon gelaufen. „Wir sind satt“ ruft Leon. „Aber wir setzen uns noch an den Tisch“ brüllt Maxi. Tolle kleine Kerle, denke ich.
Wir frühstücken. Ein Foto von dieser Situation würde einfach zu gestellt aussehen. Wie für eine Margarine-Werbung. Also machen wir keins.
Wir genießen einfach den schönen Morgen. Die beiden Großen plappern und erzählen durcheinander, was sie alles erlebt und gesehen haben. Klein Timo plappert auch, aber keiner weiß wovon.
Wie gut, dass wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen, welch furchtbare Katastrophe auf uns zurollt. Eine Katastrophe, die unser Leben fatal verändert und uns alle aus der Bahn wirft. Und von der wir uns nie wieder erholen werden.
Später nach dem Frühstück mache ich den Vorschlag, ein wenig im Ort spazieren zu gehen.
Ich stoße auf eine Wand des Schweigens. Ok. Ich gebe zu, dass das Wetter traumhaft ist. Maiwetter halt. Knapp über 20 Grad, sonnig, ohne Wind.
Und meine Männer wollen unbedingt auf dem Hof bleiben.
Leon erzählt mir, dass sie mit Jean gehen wollen, die Eier der Enten und Hühner sammeln. Auf meine Frage, wie sie sich mit Jean verständigen höre ich von Maxi: „ Na, ja so halt“. Dabei wedelt er wie wild mit den Armen und macht irgendwelche geheimnisvollen Zeichen mit den Fingern. Aha, Gebärdensprache im Kindesalter. Scheint zu funktionieren. Die beiden Jungs flitzen Richtung Stall und weg sind sie. Ich schnappe mir Timo und wir machen einen Rundgang über den Hof.
Als er die Katzen und ihre Babies sieht, ist er vor Begeisterung nicht mehr zu halten. Wenn er könnte, würde er sicherlich zu ihnen laufen. So setze ich mich auf ein Stückchen Wiese und locke eine Katzenmutter heran. Prompt geht der Plan auf und
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