Bitte Einzelzimmer mit Bad
kehrte Tinchen auf ihren Platz zurück. Das Schlimmste war überstanden.
»Haste ganz prima gemacht, Tine«, lobte Karsten, »besser hätte ich das auch nicht hingekriegt. Was glaubst du denn, wer Sieger wird?«
»Wenn es nach mir ginge, das Muttchen. Für wen hast du gestimmt?«
»Geht dich gar nichts an, die Wahl ist geheim!«
»Ich habe von meinem demokratischen Recht Gebrauch gemacht und mich der Stimme enthalten«, sagte Brandt. Leise fügte er hinzu: »Meine Königin siegt außer Konkurrenz.«
Gott, dachte Tinchen, ein bißchen viel Schmalz auf einmal. Warum rutschen die meisten Männer bloß immer ins Banale ab, sobald sie ein Kompliment machen wollen?
Die erste ›Wahlurne‹ wurde vor ihr abgeladen. Karsten kippte den Sektkühler um und machte sich ans Zählen.
»Wo ist Lilo?«
»Die hat sich verdrückt. Als Florian ihr verklickert hatte, daß sie bei dieser Fleischbeschau nicht mitmachen könnte, ist sie beleidigt abgezogen. Ihren Heini hat sie mitgenommen. Wahrscheinlich hatte sie Angst, der würde angesichts dieser geballten Masse Schönheit auf falsche Gedanken kommen. Sagen Sie mal, Herr Brandt, haben Sie von Ihren Computern schon genug gelernt, um aufgrund der ersten Ergebnisse eine Hochrechnung aufstellen zu können? Nein? Dann bin ich Ihnen überlegen. Ich tippe auf die Nummer elf.«
Eine knappe halbe Stunde dauerte es, dann stand die Siegerin fest. Es war tatsächlich die Elf.
»Weißt du noch, was sie anhat?«
»Irgendwas in Grün mit was Schwarzem am Hals«, lautete die präzise Auskunft, wobei man Karsten zugestehen mußte, daß er sich mehr für die Gesichter interessiert hatte als für die Garderobe und darüber hinaus eine ganz andere Aspirantin gewählt hatte, die weit abgeschlagen auf dem siebzehnten Platz gelandet war.
»Dann können wir die Schärpe ja doch benutzen!« Tinchen holte die Trauerschleife aus der Tüte, vergewisserte sich, daß die Blumensträuße ohne Marmeladeneimer griffbereit neben dem Schlagzeug lagen, und bestieg erneut das Podium. Sofort wurde es still im Saal.
»Darf ich die Nummern vier, sechs und elf herbitten?«
Hälse wurden gereckt, Stimmengemurmel setzte ein, und unter dem Beifall des Publikums bauten sich die drei Siegerinnen vor Tinchen auf, darunter die alte Dame mit dem weißen Haar. Vor Aufregung hatte sie richtige rote Bäckchen bekommen.
»Gewinnerin und damit Miß Butterfly wurde die Nummer elf!« verkündete Tinchen und drapierte dem Brigitte-Bardot-Verschnitt das Taftungetüm über die Schulter. Das Kleid entpuppte sich übrigens als türkisfarben und das Schwarze am Hals als gehäkelte Stola – eine etwas merkwürdige Kombination, die durch den schwarzen Brustwickel nun auch nicht eleganter wirkte. Mit einer artigen Verbeugung überreichte Schumann die Blumen, aber irgend etwas fehlte doch noch? Richtig, die Krone. Verflixt noch eins, wo war das Ding denn abgeblieben? Hilfesuchend sah Tinchen zu Karsten hinunter. WO IST DIE KRONE ? artikulierte sie stumm.
»An der Rezeption!« brüllte der und entwetzte. An eine Fortsetzung der Inthronisation war im Augenblick nicht zu denken. Mit hochrotem Gesicht überreichte Tinchen den beiden Plazierten – Oma war Dritte geworden – Blumen nebst Angebinde, sicherte ihnen aus lauter Verlegenheit noch eine Freifahrt nach Nizza zu (Nummer vier hatte die Tour schon hinter sich und wollte lieber nach Portofino) und schickte sie mit ein paar Floskeln wieder auf ihre Plätze. Endlich kam Karsten angestürmt, reichte die Krone aufs Podium, wobei er ein gezischtes »Du kannst nachher noch was erleben!« kassierte, und nun konnte Tinchen die Zeremonie beenden. Lauter Beifall ertönte, als sie der strahlenden Miß Butterfly das glitzernde Diadem auf die blonden Dauerwellen drückte. Nachdem sie die Brosche überreicht hatte, sagte sie einladend: »Vielleicht möchten Sie ein paar Worte sagen?«
»O yes.« Fräulein Schmetterling trippelte zum Mikrofon und hauchte mit Piepsstimme: »I’m so very happy! Thanks to all!«
Ausgerechnet eine Janet Carter aus Birmingham war deutsche Schmetterlingskönigin geworden!
Tinchen stand neben Brandt an der Hotelbar und spielte mit dem Campariglas. Es war schon der dritte, trotzdem zeigte er überhaupt keine Wirkung. Dabei reichten normalerweise zwei, um sie in Hochstimmung zu versetzen. Diesmal trat das Gegenteil ein. Sie hatte einen Moralischen und fühlte sich zum Heulen.
Durch die geöffnete Tür beobachtete Brandt die Schlacht am kalten Buffet. »Leute,
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