Bitte Einzelzimmer mit Bad
hatte er noch nie aufgefordert, aber für diesen wandelnden Farbkasten da hinten brach er mit sämtlichen Prinzipien! Wahrscheinlich hatte sie Geld! Und Florian hatte ganz sicher seine letzten Kröten in den neuen Habitus gesteckt, um jetzt eine lohnende Quelle anzuzapfen. Nun hatte er sie offenbar gefunden. Auch wenn sie viel zu alt für ihn war und gefärbte Haare hatte. Außerdem war sie mehr als nur vollschlank. Dafür trug sie allein am Hals ein halbes Einfamilienhaus mit sich herum! Die andere Hälfte steckte an den rotlackierten Fingern! Und für so einen charakterlosen Schuft hatte sie, Tinchen, Sympathie und sogar noch ein bißchen mehr empfunden! Ein Glück, daß ihr noch rechtzeitig genug die Augen aufgegangen waren!
Trotzdem konnte sie die aufsteigenden Tränen nicht verhindern. Ein Schluchzen saß in ihrer Kehle, das sie mühsam zu unterdrücken suchte, weil die Wimperntusche nicht wasserfest war. Aber dann tropfte es doch dunkelgrau auf ihren Handrücken, und sie trat eilends den Rückzug an. Auf ihr Zimmer wollte sie, am liebsten gleich ins Bett, niemanden mehr sehen, schon gar nicht Florian – jetzt tropfte das schwarze Zeug bereits aufs Kleid –, sollte er doch seine Miß Karottenkopf krönen, zu der paßte sogar die Trauerschärpe, weil sie ohnehin in schwarzen Brillantsamt gewickelt war …
»Schon wieder eine Fliege im Auge?« Tinchen fühlte sich von zwei kräftigen Armen gepackt, die sie vom Eingangsweg in die Dunkelheit zogen. »Du siehst bezaubernd aus, Tina, und solltest wirklich keinen Grund zum Weinen haben.«
»Ich weine ja gar nicht«, schluchzte sie.
»Auf Freudentränen hatte ich allerdings nicht zu hoffen gewagt.«
Brandt reichte ihr sein Taschentuch. »Napoleon hat mal gesagt, daß Frauen zwei Waffen haben: Kosmetik und Tränen. Damit hatte er zweifellos recht, nur solltet ihr nicht beide gleichzeitig anwenden!«
Sie schnaubte herzhaft in das Tuch und steckte es ein. »Jetzt habe ich schon zwei.« Und mit einem zaghaften Lächeln: »Ich freue mich, daß du endlich da bist. Wir sitzen dort drüben unter dem grünen Lampion. Wartest du einen Moment? Ich glaube, ich muß mich doch erst ein bißchen restaurieren.«
Florian würde hoffentlich nicht die Unverfrorenheit besitzen, seine neue Eroberung an ihren Tisch zu bringen. Der war für Lilo und ihren Dottore reserviert, für Karsten natürlich, für Sergio und für sie, gezwungenermaßen auch für Florian, aber keinesfalls für brillantenbehängte Matronen!
Als sie kurze Zeit später zurückkam, hatte Tinchen Lilos großen Auftritt verpaßt. Mit genau einkalkulierter Verspätung war sie just in dem Augenblick am Eingang erschienen, als die Kapelle eine Pause gemacht hatte und die Anwesenden nicht mehr von der Freizeitakrobatik auf der Tanzfläche abgelenkt worden waren.
»Die ist reingerauscht wie eine Primadonna«, flüsterte Karsten seiner Schwester zu, »und ihr Macker ist hinterhergewieselt wie der Impresario.«
Genauso benahm er sich auch. Er bestellte Champagner für den ganzen Tisch, ließ ein Sortiment Zigaretten bringen und sorgte dafür, daß ständig mindestens ein Kellner für ihn durch die Gegend trabte und die kleine Gesellschaft in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rückte. Im Gegensatz zu Tinchen schien Lilo dieses allgemeine Interesse zu genießen. Scheinbar zufällig spielte sie mit ihrer neuen Perlenkette. An der linken Hand blitzte ein Halbkaräter.
»Na, hast du ihn doch herumgekriegt?«
»Die Perlen sind mein Verlobungsgeschenk. Enrico wird das nachher offiziell bekanntgeben.«
»Bravo! Dann hast du es ja endlich geschafft! Gratuliere!« Neidisch war Tinchen nicht, aber einen kleinen Stich verspürte sie doch. Man hätte ihr diesen Enrico zwar platinumwickelt auf einem Tablett servieren können, ohne daß sie ihm mehr als zwei Blicke geschenkt hätte, aber Lilo schien sich diesen Goldfisch nicht nur aus materiellen Erwägungen geangelt zu haben. Es sah fast so aus, als ob sie sogar Gefühle investierte.
»Stammt der Ring auch von ihm?«
»Nein, der ist schon alt. Mein erster Mann hatte ihn mir zur Hochzeit geschenkt.«
»Und du hast ihn nach der Scheidung nicht zurückgegeben?« staunte Tinchen, »ich denke, das tut man?«
»Weshalb denn? Meine Gefühle für den Ring hatten sich doch nicht verändert!«
Entgegen Sergios Behauptung hatte die Kapelle das deutsche Faßbier dem einheimischen Wein vorgezogen und ging frisch gestärkt wieder an die Arbeit. Sie spielte einen Walzer.
»Darf ich
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