Bitte Einzelzimmer mit Bad
die vor einer Bevölkerungsexplosion warnen, meinen eine Welt mit zu vielen Menschen und zu wenig Nahrung – also genau das, was sich da drüben gerade abspielt.«
»Laß sie doch. Was heute nicht alle wird, kriegen die Angestellten sonst morgen als Personalessen.«
Aufmerksam sah er sie an. »Tina, was ist los mit dir? Du hast doch allen Grund, froh zu sein. Diese alberne Wahl hast du sehr souverän über die Bühne gebracht, die Party ist ein voller Erfolg, alle amüsieren sich, nur du läßt die Flügel hängen und machst auf Weltschmerz. Laß uns tanzen! Vielleicht kommst du dann auf andere Gedanken.«
Kam sie auch! Das erste, was sie sah, war der schwarze Brillantsamt und neben ihm ein schwafelnder Florian. Jetzt verhakten sie auch noch ihre Arme, führten die Sektgläser zum Mund und … Also für einen harmlosen Brüderschaftskuß dauerte der aber entschieden zu lange! Die ließ ihn ja gar nicht mehr los! Und dann diese unverhohlene Leidenschaft hier vor allen Leuten! Außer Tinchen kümmerte sich allerdings niemand um das vergnügte Paar, so daß sie ihre Empörung nicht einmal laut hinausschreien konnte.
»Wollen wir nicht einen kleinen Spaziergang machen?« schlug Brandt nach einer Weile vor. Er hatte Tango getanzt und Rumba, sogar Charleston, obwohl er dafür nun gar nichts übrig hatte, nur weil Tinchen plötzlich eingefallen war, daß die Tanzfläche jetzt nicht mehr so voll sei und man sich endlich richtig bewegen könne. Dabei hatte sie sich gar nicht bewegt. Sie war mehr oder weniger auf der Stelle getreten und hatte sich kaum einmal herumgedreht. Ständig hatte sie die Bierfässer im Auge behalten; obwohl die inzwischen geleert und schon deshalb völlig uninteressant waren.
»Kann ich nicht endlich mal ein paar Minuten mit dir allein sein?« bohrte Brandt von neuem, »ich möchte dich nämlich etwas fragen.«
»Was denn?«
»Etwas Wichtiges.«
Für Tinchen gab es im Augenblick nichts Wichtigeres als den Tisch, an dem sich Florian mit dem Brillantsamt amüsierte. Seit der Miß-Wahl, die für seine Favoritin zu einem grandiosen Miß-Erfolg geworden war (auf den sechzehnten Platz war sie gekommen!), hatte er kein Wort mehr mit Tinchen gewechselt. Viel Spaß hatte er ihr nur gewünscht und dafür plädiert, daß man Gesellschaftstanz als Pflichtfach in allen Schulen einführen sollte, da es offenbar zur Allgemeinbildung gehöre und für manche Leute einschneidender sei als ein liebend Herz, das man trotz aller medizinischen Fortschritte noch immer nicht sichtbar vor sich hertragen könne. Im übrigen sei sie kalt wie eine Hundeschnauze, was andererseits eine Beleidigung für Bommel bedeute, noch blinder als ein Maulwurf und so feinfühlig wie ein Panzernashorn. Womit seine Kenntnisse der Mentalität einzelner Tierarten erschöpft seien, aber mehr Vergleiche brauche er sowieso nicht. Dann hatte er sie stehenlassen und den ganzen Abend nicht mehr angesehen.
»Willst du nicht wenigstens eine Kleinigkeit essen?« Manchen Menschen schlägt ein leerer Magen aufs Gemüt, und nach Brandts Ansicht mußte Tina auch dazu gehören. Wenn sie ihm bloß nicht wieder aus den Pantinen kippte!
»Ich hab’ keinen Hunger.«
»Der Appetit kommt beim Essen!« dozierte er Großmütterweisheit, ohne zu ahnen, daß Antonie Pabst mit diesem Spruch ihre kalorienarmen Mahlzeiten anzupreisen pflegte und fast immer das Gegenteil erlebte.
Wie zum Beweis für Brandts Theorie erschien ein vergnügter Karsten am Tisch. In der linken Hand balancierte er einen vollgehäuften Teller, mit der anderen schaufelte er Muschelsalat in sich hinein. »Schmeckt prima, Tine, willste mal probieren?«
»Nein danke, du frißt ohnehin für zwei! Das ist doch mindestens der vierte Teller, den du jetzt verdrückst! Schämst du dich eigentlich nicht?«
»Nö, warum denn?« fragte er kauend, »die letzten drei Mal habe ich Schumann gesagt, es sei für dich. Spendierst du mir noch’n Gin-Fizz? Dann rutscht es besser.«
An der Bar hockten Lilo und ihr Dottore, erstere ein bißchen pikiert, weil sich noch immer keine Gelegenheit ergeben hatte, die Verlobung offiziell zu verkünden. Enrico unterhielt sich sehr angeregt mit dem Stadtpfarrer, einem noch sehr jugendlichen Herrn, von dem behauptet wurde, er habe seiner inoffiziellen Freundin einen Parfümeriesalon eingerichtet. Das Gerücht hielt sich hartnäckig, obwohl Don Emilio in dem eleganten Geschäft nicht häufiger gesichtet wurde als in der Splendid-Bar und im Waisenhaus. Oder ebenso
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