Bitte Einzelzimmer mit Bad
schlechtem Gewissen zu, wie Lilo die Rechnung bezahlte. Zweiundvierzig Mark ohne Trinkgeld! Ob man die wirklich auf die Spesenabrechnung setzen konnte? Florian mußte mit Herrn Schröder von der Buchhaltung um jedes Glas Bier kämpfen, das er hin und wieder mal springen ließ, und einmal hatte er seine monatliche Spesenrechnung sogar mit einem handschriftlichen Vermerk des Sperlings zurückbekommen: ›Die Abrechnung kann ich leider nicht anerkennen, aber ich würde gern das Urheberrecht daran erwerben.‹
»Schläfst du schon?« Lilo war aufgestanden und suchte ihre diversen Einkaufstüten zusammen. »Dazu hast du noch genügend Zeit, vorausgesetzt, daß man in diesen Liegewagen überhaupt schlafen kann. Die hätten uns ruhig ein Schlafwagenabteil spendieren können!«
»Ich glaube eher, wir sollen aus eigener Erfahrung wissen, in welchem Stadium des Zusammenbruchs unsere künftigen Gäste am Ziel ankommen.«
»So ein Quatsch! Ein Arzt läßt sich bestimmt nicht freiwillig den Magen auspumpen, nur um zu wissen, wie man sich hinterher fühlt. Aber Liegewagen ist natürlich billiger.«
Der Zug stand schon abfahrbereit. Bewaffnet mit ihrem Handgepäck machten die beiden sich auf die Suche nach dem Kurswagen Hamburg-Ventimiglia.
»Natürlich der allerletzte Waggon!« stöhnte Lilo.
»Und der Speisewagen ist ganz vorne«, moserte Tinchen. »Hör bloß auf, mir wird schon schlecht, wenn ich nur an Essen denke!«
»Wenn du immer so viel frißt, könnte es eventuell später mal Schwierigkeiten geben. Laut Vertrag sind die Schmetterlinge nur verpflichtet, für Unterkunft und Verpflegung zu sorgen, nicht aber für einen Zinksarg, um die Rückführung deiner irdischen Reste zu ermöglichen.«
Das Abteil war schon von zwei älteren Damen belegt, die sich allem Anschein nach auf eine mehrtägige Reise vorbereiteten. Sie hantierten mit Kopfkissen, Thermosflaschen und Hausschuhen, suchten Haken für Morgenrock und Handtuch und fühlten sich in ihrer häuslichen Zweisamkeit sichtlich gestört.
»Hier ist besetzt!« erklärte denn auch eine, während die andere sekundierte: »Nebenan ist auch noch was frei!«
Erst dem herbeigerufenen Schaffner gelang es, die streitbaren Amazonen zum Rückzug zu bewegen. Mürrisch räumten sie ihre Toilettensachen zur Seite und machten die beiden reservierten Plätze frei. Dann nahmen sie das unterbrochene Gespräch wieder auf.
»Und was soll ich dir sagen, Elsbeth, als ich nach einer Woche wieder an dem Geschäft vorbeikam, lag das Kleid immer noch im Schaufenster. Da habe ich mir gedacht, wenn es sonst niemand haben will, will ich es auch nicht.
Deshalb
habe ich es nicht gekauft.«
Lilo stellte ihre Koffer ab und warf Tinchen einen beschwörenden Blick zu. Die nickte verstehend. »Machen Sie sich nur in aller Ruhe für die Nacht fertig«, sagte sie zuvorkommend, »wir gehen so lange in den Speisewagen.«
Der Zug hatte schon die Außenbezirke Frankfurts hinter sich gelassen, als Lilo und Tinchen sich endlich zum vordersten Wagen durchgekämpft hatten.
»Es gibt nur zwei Möglichkeiten, diese Nacht zu überstehen«, sagte Lilo, »Schlaftabletten oder Schnaps. Tabletten haben wir nicht, also besaufen wir uns.«
Daraus wurde dann doch nichts. Eine Flasche Gewürztraminer genügte völlig, den beiden zur nötigen Bettschwere zu verhelfen, und kaum hatten sie sich auf den ungewohnt schmalen Liegen ausgestreckt, da waren sie auch schon eingeschlafen. Nicht einmal der Platzregen konnte sie aufwecken.
Als Tinchen erwachte, war es halb acht und ziemlich dunkel. Lilo schlief noch, und die anderen beiden Mitreisenden hatten das Abteil unter Hinterlassung von Butterbrotpapier und Bananenschalen geräumt. Vorsichtig turnte sie aus ihrer Koje abwärts, wechselte ihre Trainingshosen gegen Jeans, zog einen Pullover über und machte sich auf die Suche nach dem Waschraum.
Das Wasser tröpfelte nur noch und reichte gerade zum Zähneputzen. Dann eben nicht, dachte sie, riß eine Packung Erfrischungstücher auf und rieb sich damit Gesicht und Hände ab. »Unter chemischer Reinigung habe ich mir auch immer etwas anderes vorgestellt«, murmelte sie, klemmte ihren Kulturbeutel unter den Arm und schlingerte im Rhythmus des Zuges zurück ins Abteil.
Lilo stand am Fenster und starrte in den feinen Nadelstreifenregen. »Das Wetter im Süden ist auch nicht mehr das, was es mal war! Sind wir eigentlich schon hinter’m Gotthardt?«
»Du hast vielleicht eine Ahnung von Geographie! Wir müssen bald in
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