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Bitte Einzelzimmer mit Bad

Bitte Einzelzimmer mit Bad

Titel: Bitte Einzelzimmer mit Bad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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dir in letzter Minute noch anders überlegt.«
    Neben ihrem Schreibtisch stand eine sehr gutaussehende junge Dame, von der Tinchen ungeniert gemustert wurde. »Darf ich dich mit deiner künftigen Leidensgefährtin bekannt machen?«
    Sibylle war aufgestanden und hatte Tinchen kameradschaftlich untergehakt. »Das hier ist Lieselotte Küppers, einunddreißig Jahre alt, aufgewachsen in Berlin, wofür sie aber nichts kann, wohnhaft in Hamburg, und in der Branche genauso ein unbeschriebenes Blatt wie du. Italienisch kann sie auch nicht. Ihr werdet euch also prima ergänzen!«
    Tinchen warf einen abschätzenden Blick auf ihre neue Kollegin und wunderte sich. Warum war die eigentlich nicht Mannequin geworden oder Fotomodell? Groß, schlank, blond, apartes Gesicht mit hohen Wangenknochen und leicht schräggestellten Augen – also genau der Typ, nach dem sich die Männer umdrehen. Zögernd reichte Tinchen ihr die Hand.
    »Ich freue mich«, murmelte sie nicht ganz wahrheitsgemäß und fügte tapfer hinzu: »Wir werden bestimmt gut miteinander auskommen.«
    Ein ironisches Lächeln spielte um die Mundwinkel der anderen. »Ich weiß genau, was Sie jetzt denken! Was hat diese Pin-up-Type hier verloren? Die sucht doch bloß einen betuchten Mann, und wenn sie den gefunden hat, verschwindet sie. Stimmt’s?«
    Tinchen wurde flammend rot. »Nein, gar nicht, das heißt, ich habe nur …« Dann erklärte sie mit entwaffnender Ehrlichkeit: »Sie haben recht! Genau das habe ich gedacht!«
    Wie auf Kommando brachen alle drei in lautes Gelächter aus. Das Eis war gebrochen.
    »Dank Sibylles Geschwätzigkeit weiß ich von Ihnen schon eine ganze Menge. Es ist also nur fair, wenn ich Ihnen auch ein paar Einzelheiten über mich verrate.« Lieselotte setzte sich aufs Fensterbrett und dozierte: »1945 in einem Berliner Keller geboren, aufgewachsen zwischen Trümmern, später nach Hamburg übersiedelt, zwei Jahre Internat, Abitur erst im zweiten Anlauf geschafft, von Beruf Schmalspurjuristin ohne nennenswerte praktische Erfahrungen, geschieden, aber sonst nicht vorbestraft.«
    Sibylle nickte beifällig: »Das hast du sehr schön aufgesagt. Wenn ihr den Rest eurer Lebensbeichte bis nachher verschieben könnt, dann bringe ich euch jetzt zu Gottlieb. Seine Stimmung ist heute nicht die beste. Verströmt also nach Möglichkeit Optimismus und gute Laune, meckern könnt ihr später bei mir.« Sie schob die beiden jungen Damen ins Allerheiligste.
    Zwei Stunden später waren sie wieder entlassen, vollgestopft mit Ratschlägen, Verhaltensmaßregeln, Anweisungen, und verabschiedet mit einem nicht gerade sehr aufmunternd klingenden »Nun machen Sie das Beste daraus!«
    »Uff!« sagte Tinchen, als sich die Tür endlich hinter ihnen geschlossen hatte. »Ich bin mir vorgekommen wie eine Sechsjährige, die zum ersten Mal allein Straßenbahn fahren soll.«
    »Jedenfalls wissen wir jetzt, was uns erwartet, und irgendwie habe ich die fürchterliche Ahnung, als ob der blaue Himmel das einzige ist, was von meinen himmelblauen Träumen übrigbleiben wird.« Lieselotte kramte in ihrer Handtasche. »Hat jemand eine Zigarette für mich?«
    Tinchen schob ihr eine angebrochene Packung zu. »Was ich jetzt dringender brauche, ist ein Kognak.«
    »Großartige Idee! Gibt es hier in der Nähe eine Kneipe?« Sibylle nickte. »Tinchen weiß Bescheid. Mich müßt ihr leider entschuldigen, ich habe noch eine kleine Nebenbeschäftigung.«
    Das Café Napoli strahlte noch immer die Gemütlichkeit eines Bahnhofwartesaals aus, erfreute sich aber trotzdem regen Zuspruchs. Zielsicher steuerte Tinchen den einzigen noch freien Tisch an.
    »Due espressi e due cognac, per favore.«
    »Nu, Gott sei Dank, daß wenigstens eine von uns richtig palavern kann!« Aufatmend ließ sich Lieselotte in den Stuhl fallen. »Ich spreche nämlich bloß Akzent ohne eine Spur Italienisch.«
    Tinchen verschluckte sich beinahe. »Sie auch nicht???«
    »Was heißt auch? Ich denke, Sie können …« Endlich schien Lieselotte zu begreifen. »Heißt das etwa, Sie haben auch keine Ahnung?«
    Tinchen nickte.
    »Mahlzeit!« Lieselotte hob ihr Glas und prostete ihrem Gegenüber zu.
    »Nun gibt es wirklich gar nichts mehr, was jetzt noch schiefgehen könnte.« Sie trank ihren Kognak und schüttelte sich. »Ein widerliches Gebräu, aber es hilft meistens. Und nun mal ganz ehrlich: Sprechen Sie wirklich nicht italienisch?«
    »Von Sprechen kann keine Rede sein, allenfalls von Verständigen.«
    »Jedenfalls ist das mehr,

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