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Bitte Einzelzimmer mit Bad

Bitte Einzelzimmer mit Bad

Titel: Bitte Einzelzimmer mit Bad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Mailand sein! Und jetzt beeil dich ein bißchen, ich habe Hunger!«
    Die Stunden dehnten sich. Die eintönige Landschaft der Po-Ebene schien kein Ende zu nehmen. Der Regen auch nicht, und erst als sich der Zug der Küste näherte, riß der bleigraue Himmel auf.
    Die ersten Sonnenstrahlen brachen durch, Wolken treidelten ihre schweren Schatten über die Hügel, und als sie durch die Vororte von Genua fuhren, war der Himmel blau.
    »Na also«, frohlockte Tinchen und steckte den Kopf aus dem Fenster, »die Luft ist wie Seide.«
    »Und wo ist das Meer?«
    »Das kommt noch!«
    Es kam auch wirklich, nur präsentierte es sich nicht gerade von seiner reiseprospektfreundlichsten Seite. In riesigen Öllachen schwammen rostige Konservendosen, verschimmeltes Holz trieb am Ufer entlang, dazwischen tote Fische und ein altes Teerfaß. Schiffe in allen Stadien des Verrottens dümpelten in der trüben Brühe.
    »Im Hamburger Hafen sieht es bestimmt auch nicht anders aus, und trotzdem wird in der Nordsee gebadet«, tröstete Tinchen die völlig verstörte Lilo. »Letzten Endes ist Genua eine Großstadt.«
    »Aber hier sehen ja sogar die Palmen aus wie zerfledderte Staubwedel. Irgendwie hatte ich von der Riviera eine andere Vorstellung.«
    Erst allmählich änderte sich das Landschaftsbild. Die Küste wurde felsiger, kleine Buchten tauchten auf, der erste Sandstrand, ein Pinienwäldchen, und immer wieder das Meer, das sich wie eine riesige Katze an den Felswänden rieb.
    »Herrlich!« jubelte Lilo, »beinahe so schön wie im Prospekt! Ob man schon baden kann?«
    »Natürlich! Du mußt dich nur warm anziehen.«
    Wieder hielt der Zug auf einem der kleinen Bahnhöfe. »Finale Ligure«, las Tinchen. »Ich glaube, wir sind bald da. Allmählich sollten wir unsere Sachen zusammensuchen. Hast du übrigens Appetit auf Geflügelsalat?« Unschlüssig betrachtete sie das Schraubglas. »Wenn ich bedenke, daß ich das Zeug seit gestern mit mir herumschleppe … Ach was, die Fische wollen auch leben!« Schwungvoll warf sie den mütterlichen Reiseproviant aus dem Fenster.
    »Du hättest zweckmäßigerweise vorher den Deckel abschrauben müssen«, bemerkte Lilo, »oder wirfst du jetzt noch einen Büchsenöffner hinterher?«
    Der Zug verschwand in einem der zahlreichen Tunnel. Dann verlangsamte er seine Fahrt, kroch ans Tageslicht und blieb stehen.
    »Ich hab’s ja geahnt«, sagte Tinchen mit einem flüchtigen Blick auf das Stationsschild, »jetzt aber nichts wie raus!«
    In Windeseile rafften sie Koffer, Taschen und Mäntel zusammen und stürzten zur Tür. Die wurde bereits von einem Herrn geöffnet, dessen Lächeln sofort einer schmerzverzerrten Miene wich. Er hatte Lilos Koffer ans Schienbein gekriegt.
    »Verzeihung, äh … scusi vielmals«, stotterte sie etwas verwirrt und bemühte sich vergeblich, den zweiten Koffer noch abzubremsen. Nunmehr hatte der Herr den Verlust eines Jackenknopfes zu beklagen.
    »Wie viele kommen denn noch?« Vorsichtshalber ging er hinter einem Blumenkübel in Deckung.
    »Beschuß eingestellt!« Tinchen hob den letzten Koffer aus dem Wagen und stellte ihn auf den Bahnsteig. Dann drehte sie sich um. »Wieso sprechen Sie eigentlich deutsch?«
    »Wieso nicht?« Langsam näherte sich der Herr und lüftete seinen Strohhut. »Mein Name ist Theo Harbrecht, und wenn ich mich nicht irre, habe ich es mit zwei angriffslustigen Exemplaren der Gattung Lepidopteren zu tun.«
    »Wie bitte?«
    »Ich rede von Schmetterlingen!«
    »Ach so!« Erleichtert streckte Tinchen ihm die Hand entgegen. »Ich heiße Ernestine Pabst, und das hier ist Lilo Küppers.«
    Die war mit schuldbewußter Miene herangekommen. »Es tut mir wirklich leid, aber …«
    »Jedenfalls haben Sie einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen!« Harbrecht streifte sein Hosenbein etwas hoch und betrachtete die dicke Schramme. »Ein Glück, daß Sie nicht mit Schrankkoffern reisen.«
    Aus dem Hintergrund näherte sich ein untersetzter Mann mit Seehundsbart und baute sich vor Lilo auf. »Buon giorno, signora. Dove sono gli scontrini del bagáglio?«
    »Si. Grazie«, sagte Lilo, die kein Wort verstanden hatte und wenigstens höflich sein wollte.
    Harbrecht schmunzelte. »Sehr weit her scheint es mit Ihrem Italienisch aber nicht zu sein. Luigi möchte Ihre Gepäckscheine haben. Oder ist das hier alles?« Er wies auf die herumstehenden Handkoffer.
    »Nein, natürlich nicht.« Bereitwillig zog Lilo einen zusammengefalteten Zettel aus ihrer Tasche. Luigi nahm ihn grinsend in

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