Bitte Einzelzimmer mit Bad
als ich von mir behaupten kann. Bevor ich zur persönlichen Rücksprache antraben mußte, hatte ich mir am Bahnhofskiosk ein Exemplar des ›Corriere della sera‹ gekauft und schön sichtbar in die Manteltasche gesteckt. Damit wollte ich einer etwas intensiveren Nachprüfung meiner angeblich perfekten Sprachkenntnisse entgehen. War wohl doch keine so gute Idee! Was sollen wir denn jetzt machen?«
»Alles an uns herankommen lassen!« Entschlossen kippte Tinchen den Kognak hinunter. »Ich besitze ein dickes italienisches Lexikon, und zwei Sprachführer habe ich mir noch zusätzlich gekauft.«
»So ein Ding habe ich auch! Da steht alles drin von ›Herr Doktor, mir geht es nicht gut‹ bis ›Schicken Sie die Leiche per Flugzeug heim‹.«
Die beiden sahen sich an und prusteten los. »Kann man auch mit Kaffee Brüderschaft trinken?« fragte Lieselotte. »Ich glaube, es wird höchste Zeit.« Feierlich hob sie ihre Tasse. »Laut Geburtsurkunde heiße ich Lieselotte Angelika Elfriede, aber im Zeitalter der allgemeinen Rationalisierung ist Lilo die passendere Variante.«
»Einverstanden. Ich heiße übrigens …«
»Ernestine genannt Tinchen. Weiß ich schon längst.« Sie winkte dem Kellner. »Am besten bringen wir jetzt das Abschiedszeremoniell hinter uns, und dann machen wir uns dünne. Soviel ich weiß, fährt unser Zug erst nach einundzwanzig Uhr. Wollen wir nicht vorher noch einen kleinen Stadtbummel machen?«
Tinchen war einverstanden. Wohlversehen mit Spesenvorschuß, Fahrkarten und Sibylles privater Telefonnummer – »Wenn’s mal außerhalb der Bürostunden brennt!« – standen die beiden kurz darauf wieder vor dem Eingang des Hochhauses.
»Bella Italia, wir kommen!« frohlockte Lilo. »Aber vorher brauche ich noch einen schicken Badeanzug!«
»Mir hängt der Magen schon in den Kniekehlen!« Mit einem anklagenden Blick deutete Tinchen auf die große Normaluhr, deren Zeiger beide auf der Sieben standen. »Seit dem Frühstück habe ich nichts mehr gegessen.«
»Ich auch nicht. Deshalb werden wir uns jetzt auch ein ganz opulentes Mahl gönnen!« Lilo steuerte ein Restaurant an, das nicht so aussah, als ob es zur unteren Preisklasse gehörte.
»Müssen wir das selber bezahlen, oder können wir bestellen, was wir wollen?«
»Natürlich geht das auf Spesen. Der Mensch lebt schließlich nicht von Brot allein!«
»Wenn du meinst …« Bereitwillig marschierte Tinchen im Kielwasser ihrer Begleiterin durch die Tür. Ein Kellner in grüner Smokingjacke nahm ihnen die Mäntel ab, ein Kellner in Weinrot führte sie zu einem Tisch, ein dritter rückte die Stühle zurecht, ein vierter brachte die Speisekarten. Sie waren die einzigen Gäste.
»Ist ja auch noch ein bißchen früh«, beruhigte sich Tinchen und studierte die Karte. »Ich hätte Appetit auf ein riesengroßes Steak.«
»Dann guck mal nach rechts! Bei den Preisen überziehen wir unser Spesenkonto gleich für den nächsten halben Monat. Schade, daß es keine Dinosaurier mehr gibt. Nach den Bildern von den Biestern zu urteilen, würden wir mit ihnen sicher billiger zu unseren Steaks kommen.«
Sie entschieden sich für Zürcher Geschnetzeltes. »Angesichts der Tatsache, daß wir uns in den nächsten sechs Monaten von Reis und Nudeln ernähren müssen, sollten wir unsere letzte kultivierte Mahlzeit ausgiebig genießen.«
»Viel Ahnung scheinst du von der italienischen Küche nicht zu haben«, lachte Tinchen. »Wie oft bist du eigentlich schon in Italien gewesen?«
»Einmal. Das war vor drei Jahren in Canazei. Damals war ich noch verheiratet, und zwar mit einem Wintersport-Enthusiasten, dem die Skihalter auf dem Autodach als Statussymbol galten. Ich bin aber nun mal keine Kaltluftfanatikerin und nehme mein Eis lieber im Whisky. Außerdem kommt eine gute Figur viel besser im Bikini an einem sonnigen Strand zur Geltung als eingemummelt in langen Unterhosen und pelzgefüttertem Anorak. Deshalb zieht es mich ja auch an die Riviera und nicht in die Dolomiten.«
Tinchen wurde aus Lieselotte nicht recht klug. War sie wirklich so naiv, wie sie tat? War die betonte Schnoddrigkeit ein Panzer, hinter dem sie sich versteckte, oder gab sie sich nur so, wie es offenbar ihrem Naturell entsprach: unbekümmert, lässig und ausgestattet mit dem Gemüt eines Kindes, das jemanden hinter sich weiß, der ihm alle Verantwortung abnimmt?
Jedenfalls ist sie ein netter Kerl, und langweilig wird es mit ihr bestimmt nicht werden, dachte Tinchen und sah mit etwas
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