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Bitte Einzelzimmer mit Bad

Bitte Einzelzimmer mit Bad

Titel: Bitte Einzelzimmer mit Bad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Bruder – mio fratello.«
    »Che bello ragazzo! Wie alt ist ihm?«
    »Er ist achtzehn. Diciotto.«
    »Sehr schade. Ist zu jung für mir.«
    Es klopfte. Lilo steckte vorsichtig den Kopf durch die Tür, dann trat sie ein. »Diesmal ist es Gott sei Dank richtig. Ich habe bereits einen betagten Herrn in Unterhosen und eine Dame in Lockenwicklern besichtigt. Weitere Einblicke in die Intimsphäre meiner Mitmenschen hätte ich vor dem Essen auch nicht mehr verkraftet.« Anerkennend sah sie sich um. »Hübsch hast du es hier. Und sogar den obligatorischen Blick zum Meer. Den habe
ich
nur in Form eines goldgerahmten Ölschinkens an der Wand. Sag’ mal, bedeutet buona vista nicht so etwas Ähnliches wie ›Schöne Aussicht‹? Mein Hotel heißt nämlich so, aber der schöne Blick beschränkt sich auf die Ansicht einer Unkrautplantage, veredelt durch ein rostiges Autowrack und diverse Blecheimer. Mitten drin steht ein ausgetrockneter Brunnen. Wenn das nicht eine Brutstätte für Mücken ist, dann weiß ich nicht, wo die Viecher sonst noch gedeihen sollen. Ob man hier Moskitonetze kriegt?«
    »Mucken wir nicht haben viele hier«, korrigierte Franca, »nur tàfani. Ich weiß nicht, wie heißen in Deutsch.«
    »Ich auch nicht«, sagte Tinchen.
     
    Während des Abendessens lernten sie die übrigen Hotelbewohner kennen, sowohl die zahlenden als auch die bezahlten. Letztere waren noch in der Überzahl.
    »Noch ist Schonzeit, der Betrieb geht erst zu Ostern richtig los«, erläuterte Harbrecht. »Aber die ersten siebzehn Schmetterlinge rollen am Mittwoch an. Alle Unterlagen sind im Büro, die gebe ich Ihnen morgen. Soviel ich weiß, beherrschen Sie den ganzen Papierkrieg ja schon in der Theorie. Die Praxis ist viel unkomplizierter. Im Verhältnis zu den Giganten der Branche sind wir nur ein ganz kleines Unternehmen, das gesteigerten Wert legt auf Individualität, was immer man darunter auch verstehen will. Als Reiseleiter ist man jedenfalls Mädchen für alles. Ich habe schon mal beim deutschen Konsulat in Genua eine Hochzeit organisiert, habe für einen Kölner Kegelclub zwanzig Dosen Sauerkraut aufgetrieben und für einen der deutschen Sprache nur mangelhaft Mächtigen Liebesbriefe übersetzt. Ich habe mich als Fremdenführer betätigt und als Quizmaster, als Babysitter vierjähriger Zwillinge und als Aufpasser einer Nymphomanin. Bloß Hebamme bin ich noch nicht gewesen. Aber da hat Luigi Erfahrung. Der hatte seine Patientin nämlich nicht mehr rechtzeitig nach Savona in die Klinik bringen können. Die Behörden waren sich lange nicht einig, was denn nun als Geburtsort einzutragen wäre. Kilometerstein 119 erschien ihnen zu ungenau.«
    Harbrecht köpfte eine weitere Bierflasche. »Prost, ihr beiden, auf daß unsere Kinder lange Hälse kriegen!«
    »Haben Sie denn welche?« erkundigte sich Lilo neugierig.
    »Meines Wissens nicht. Ich bin seit neunundfünfzig Jahren überzeugter Junggeselle.«
    Tinchen gähnte. »Eigentlich wollte ich ja noch einen kleinen Spaziergang machen, aber den werde ich wohl auf morgen verschieben. Wann müssen Sie denn weg?«
    »Mit dem Zehn-Uhr-Zug nach Mailand. Um siebzehn Uhr startet meine Maschine. Können Sie um sieben zum Frühstück unten sein? Bevor wir ins Büro fahren, holen wir Fräulein Küppers ab und machen eine Rundfahrt durch Verenzi. Dann kann ich Ihnen auch gleich unsere Vertragshotels zeigen.«
    »Einverstanden. Und wie kommt Lilo jetzt nach Hause?«
    »Ich fahre sie schnell hoch.« Er trank sein Bier aus und stand auf.
    »Kommen Sie, Lilo, jetzt lernen Sie auch gleich den feurigen Elias kennen.«
    »Wer ist denn das nun schon wieder?«
    »Das betriebseigene Automobil. Wenn’s bergab geht, hat es sogar südländisches Temperament.«
    »Und bergauf?«
    »Es empfiehlt sich, derartige Strecken zu meiden.«
    Als Tinchen ihr Zimmer betrat, fiel ihr sofort die kleine Frisierkommode ins Auge, ein zierliches Schleiflackmöbel mit winzigen Schubkästen und einem ebenso winzigen Stühlchen. Auf der Glasplatte lag das Wörterbuch.
    Daß calamaio Tintenfisch heißt, war ihr inzwischen wieder eingefallen, aber sie hatte doch noch etwas anderes nachschlagen wollen? Ach ja, tàfani sollten die Viecher heißen, von denen Franca gesprochen hatte.
    Tinchen blätterte. »Taccone, tàcito … hier ist es: Tàfano heißt Pferdebremse!«

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    Kapitel 6
    A ls Tinchen die Augen aufschlug, blinzelte sie genau in die Sonnenstrahlen, die durch das weit geöffnete Fenster fielen. Vorschriftsmäßig rauschte

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