Bitte Einzelzimmer mit Bad
einen langen Bindfaden rangebunden. An dem sind die Wassertropfen lautlos in den Abfluß gelaufen.«
»Das gibt’s doch nicht!«
»Doch, das gibt es! Und es funktioniert prima! Ich werde mir diese Methode für künftige Notfälle merken!«
Sie hatten das Lido erreicht. »Hast du heute etwas Besonderes vor?«
»Nein, warum?« Erleichtert ließ Tinchen die Wagentür los und schälte sich aus dem Auto.
»Wir könnten doch nach Portofino fahren! Schließlich muß ich meine Busroute auch mal kennenlernen!«
»Bist du wahnsinnig? Ich habe noch von der gestrigen Tour die Nase voll und Blasen an den Füßen. Außerdem ist es viel zu spät! Und dann glaubst du doch wohl nicht, daß ich stundenlang die Tür festhalte?«
»Da ist bloß eine Schraube locker. Wenn ich einen Schraubenzieher gehabt hätte, dann hätte ich die Kleinigkeit schon selbst repariert.«
Tinchen wunderte sich. »Irgendwo muß doch Bordwerkzeug sein?«
»Ist ja auch! Eine verbogene Schere, drei Rollen Isolierband, eine Maurerkelle und Fahrradflickzeug.«
»Ist wenigstens ein Reservereifen da?«
»Ja, aber der ist platt!«
»Dann können wir sowieso nicht fahren!«
»Warum nicht? Oder kannst du im Notfall den Reifen wechseln?«
»Natürlich nicht!«
»Na also! Weshalb brauchen wir dann einen?« stellte Lilo mit bezwingender Logik fest. »Mach dich fertig, in einer halben Stunde hole ich dich ab!«
Es dauerte zwar ein bißchen länger, aber dafür war die Autotür in Ordnung und der Reservereifen aufgepumpt.
»Bobo hat gesagt, wir sollen auf keinen Fall über achtzig fahren«, lachte Lilo. »Der hat vielleicht Humor! Fünfundsechzig ist das Äußerste, was die Karre noch bringt, sonst fällt sie auseinander.«
»Nehmen wir die Autostrada?« Mißtrauisch überprüfte Tinchen die Tür.
»Vielleicht sollten wir sie doch lieber festbinden!«
Routiniert fädelte sich Lilo in den sonntäglichen Ausflugsverkehr ein. »Den langweiligen Teil heben wir uns für den Rückweg auf. Jetzt fahren wir die Via Aurelia entlang. Das dauert zwar länger, ist aber landschaftlich viel schöner.«
»Und gefährlicher!« ergänzte Tinchen. Trotzdem genoß sie die Fahrt entlang der Küste, hauptsächlich deshalb, weil sie nicht selbst hinter dem Steuer saß. In stillschweigender Übereinkunft übernahm Lilo die Rolle des Chauffeurs, wenn sie beide zusammen im Wagen saßen, denn Tinchens Fahrkünste hatten ihr nur ein Kopfschütteln entlockt.
»Wenn du so vorsichtig herumgurkst, wirst du zum Verkehrshindernis. Hast du denn die italienische Mentalität noch immer nicht begriffen? Für die bedeutet Rot an der Ampel nicht Stopp, sondern bloß eine Art Hinweis, der nichts anderes heißt als: Es ist Rot, also mach, was du willst. Wenn du durchfahren möchtest, bitte sehr, es sagt sowieso keiner was. Aber wenn du aufs Pedal trittst, dann paß wenigstens auf. Willst du lieber anhalten, dann tu es, aber sei in diesem Fall besonders vorsichtig, weil die hinter dir nicht damit rechnen, daß du stoppst, und womöglich auf dich draufbrettern. Na ja, und Grün heißt nichts anderes, als daß du jetzt Vorfahrt hast, aber darauf kannst du dich nicht verlassen, denn die Querstraße hat Rot, und du weißt ja, was sich dann tut. Am besten fährst du bis zur Mitte, guckst nach links und rechts, und wenn du niemanden siehst, gib Gas!«
»Und wenn Gelb ist?«
»Gar nicht drum kümmern! Das gelbe Licht wird nur beibehalten, weil die Ampeln alle importiert sind!«
Nach diesem Schnellkurs in italienischer Fahrpraxis hatte Tinchen es vorgezogen, überwiegend zu Fuß zu gehen, obwohl auch das keine hundertprozentige Überlebenschance bot. Die einzig sichere Methode, hierorts eine Straße zu überqueren, ist, eine Kuh mitzunehmen. Dieser relativ seltene Anblick veranlaßt offenbar jeden Autofahrer, abrupt auf die Bremse zu treten. Tinchen hatte das staunend beobachtet.
Anhand ihres Reiseführers kommentierte sie jeden Ort, durch den sie fuhren. »Varazze weist Reste der römischen Stadtmauern auf und die Stiftskirche Sant’ Ambrogio. Pegli bietet als Sehenswürdigkeiten die Villa Doria sowie die Parkanlagen von …«
»Hör auf mit dem Quatsch! Du bist jetzt nicht im Dienst! Oder glaubst du, daß ich diesen Quark jedesmal herunterbete? Die meisten hören ja doch nicht zu. Harbrecht hat recht! Einfach warten, bis die Leute fragen, und dann kann ich mir immer noch etwas einfallen lassen. Hinter der nächsten Kurve haben sie sowieso alles wieder vergessen!«
Ein bißchen bezweifelte
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