Bitte Einzelzimmer mit Bad
Tinchen ja doch die Kurzlebigkeit gespeicherter Informationen in teutonischen Gehirnen, aber wenn sie an ihr eigenes dachte, in dem sich nicht einmal drei Telefonnummern speichern ließen, dann könnte Lilo mit ihrer Ansicht vielleicht doch richtig liegen.
»Such lieber mal den Stadtplan von Genua heraus, der muß in der Seitentasche stecken. Wir sind nämlich gleich da.«
Die Häuser wurden zahlreicher, die Autos ebenfalls, und bevor Tinchen die ohnehin nur spärlich vorhandenen Straßennamen auf der Karte gefunden hatte, war Lilo längst wieder irgendwo abgebogen, und die Suche begann von neuem.
»So hat das keinen Zweck! Halt mal da drüben an der Piazza!« Tinchen kurbelte das Fenster herunter und schrie in eine Gruppe feierlich gekleideter Spaziergänger: »In quale direzione si trova il Campo Santo?«
Mehrstimmig tönte es zurück: »Al sinistra la secondo strada traversale!«
»Was ist los?« fragte Lilo verblüfft.
»Ich habe gefragt, wo es zum Friedhof geht, und die haben gesagt, zweite Querstraße links.«
Respektvoll murmelte sie: »Mensch, du kannst ja wirklich Italienisch!« Und nach einem Weilchen: »Was sollen wir denn auf dem Friedhof?«
»Der Campo Santo von Genua ist berühmt und folglich sehenswert.«
»Warum?«
»Keine Ahnung. Laß uns erst mal hinfahren. Vielleicht finden wir es heraus.«
Wenig später kurvte Lilo völlig entnervt zum dritten Mal durch dasselbe Gäßchen, das sich von den anderen nur dadurch unterschied, daß es noch ein bißchen schmaler war. »Ich finde hier nicht mehr raus!« jammerte sie. Schließlich öffnete sie das Fenster und fragte einen herumlungernden Müßiggänger: »Ist das hier die zweite Querstraße links?«
»Non capisto!«
»Du mich auch!« knurrte sie und zuckelte weiter.
Mehr dem Zufall als der verzweifelten Suche war es zu verdanken, daß ›Sole mio‹ doch noch vor dem großen Tor des Campo Santo ausrollte und genau neben einem unübersehbaren Schild zum Stehen kam. »Parken nur für Anlieger gestattet!« buchstabierte Tinchen mit Hilfe des Wörterbuchs. »Klingt ein bißchen sehr makaber, nicht wahr?«
Der Friedhof erwies sich als eine Ansammlung monumentaler Scheußlichkeiten in Gips, Stuck und Marmor. »Hier scheinen die himmlischen Heerscharen komplett versammelt zu sein«, sagte Lilo kopfschüttelnd und zeigte auf eine Gruppe riesiger Marmorengel, die am Kopfende eines verwilderten Grabes standen. »Die müssen ja ein Vermögen gekostet haben!«
»Angeblich gibt es Leute, die ihr ganzes Leben lang sparen, um später einen würdigen Grabstein zu bekommen. Da drüben die Brezelfrau soll es auch so gemacht haben.« Tinchen zeigte auf eine große Bronzefigur, zu deren Füßen ein Korb mit ehernen Brezeln stand. »Sie hat Lira auf Lira gelegt, damit sie nach ihrem Tod genauso ein schönes Denkmal kriegen konnte wie die reichen Leute.«
»Schön blöd! Was hat sie denn jetzt davon?« Lilo betrachtete die Statue und warf einen beziehungsreichen Blick auf die Brezeln.
»Langsam bekomme ich Hunger! Oder müssen wir vorher noch ein paar andere Sehenswürdigkeiten abhaken?«
»Die würden wir ja doch nicht finden. Oder weißt du vielleicht, wo das Geburtshaus von Columbus steht?«
»Ich hatte gar keine Ahnung, daß der hier geboren ist.«
»Ignorantin!« tadelte Tinchen. »Du solltest dich wirklich ein bißchen mehr um italienische Geschichte kümmern und weniger um italienische Männer!«
»Wenn du den von gestern abend meinst, dann irrst du dich. Der war aus Österreich. Und über Columbus haben wir gar nicht gesprochen.«
In der Nähe des Hafens entdeckten sie eine kleine Trattoria, die als Spezialität des Hauses ›Frutti di mare‹ verhieß. Lilo war mißtrauisch. »Wer weiß, was die darunter verstehen. Am Ende setzen sie uns Entengrütze vor, garniert mit Seetang.«
»Blödsinn! Früchte des Meeres sind Fische, Krabben, Muscheln – eben alles, was im Meer lebt.«
»Wächst Seetang vielleicht nicht im Meer?«
Das Innere des Restaurants schien Lilos Befürchtungen zu bestätigen. Zwar waren die Fliegen weniger zahlreich als die Flecken auf den Tischtüchern, aber bekanntlich soll man sich von solchen Äußerlichkeiten nicht abschrecken lassen. Das Etablissement war gut besucht, und daraus folgerte Tinchen, daß zumindest die Küche mehr hielt, als der Speisesaal versprach.
»Bestell du!« forderte Lilo, als sie endlich einen leeren Tisch gefunden hatten, »ich kann das doch nicht übersetzen.«
Tinchen vertiefte sich in die
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