Bitte Einzelzimmer mit Bad
richtiges Bier und nicht so eine abgestandene Plärre wie hier, und die Betten sind auch besser. Kann man denn nicht ein richtiges Federbett kriegen statt dieser Decken? Bezüge kennen die hier ja auch nicht! Entweder rutscht die Decke runter, dann wacht man nachts auf, weil man unter dem dünnen Laken friert, oder man strampelt sich den Lappen ab, und dann kratzt die Decke. So was bin ich nicht gewöhnt! Können Sie da nicht mal Abhilfe schaffen, Fräulein?«
Mühsam verbiß sich Tinchen das Lachen. »Erstens betreut meine Kollegin die Gäste in San Giorgio, aber die ist im Augenblick nicht hier, und zweitens sind Sie doch ins Ausland gefahren, um Dinge zu sehen, die anders sind als bei Ihnen daheim. Weshalb beklagen Sie sich dann, wenn es hier nicht genauso ist wie zu Hause?«
»Weil ich dafür bezahle, daß ich mich erhole. Aber wenn ich mich den ganzen Tag ärgern muß, erhole ich mich ja nicht.«
»Das ist ein Argument!« Tinchen notierte Namen und Hotel des ungehaltenen Gastes, versprach Abhilfe (Wie denn?) und komplimentierte ihren Besucher zur Tür hinaus.
Solche notorischen Meckerer erbitterten sie immer wieder. Das Essen taugt nichts, weil es keine Salzkartoffeln und keinen Sauerbraten gibt, auch keine Konditorei mit Schwarzwälder Kirschtorte und Mohrenköpfen! Das Bier schmeckt nicht, das Brot ist zu hell und der Kaffee zu dunkel! Sollen sie doch allesamt zu Hause bleiben, sich mit Eisbein vollstopfen und denen die Einzelzimmer überlassen, die weniger Wert aufs Essen legen und mehr an anderen Dingen interessiert sind! Frisches Weißbrot, ein Stück Gorgonzola und ein Glas Landwein ersetzen jede Mahlzeit. Aber dazu muß man wohl verliebt sein! Sehnsüchtig dachte sie an den Urlaub vor zwei Jahren. Mark hatte er geheißen, der braungebrannte Soziologe aus Bremen, den sie am Strand kennengelernt hatte. Vier Tage lang waren sie gemeinsam herumgezogen, dann hatte er abreisen müssen. Viel zu wenig, um sich näherzukommen. Seine Adresse hatte Tinchen verbummelt, und er hatte sich nie wieder gemeldet. Eigentlich schade, es hätte sich ja etwas mehr daraus entwickeln können …
Um die Mittagszeit erschien Lilo. »Entschuldige, Tinchen, aber mein Wecker hat nicht geklingelt. Ich hatte gestern abend Kopfschmerzen und habe eine Schlaftablette genommen. Wahrscheinlich war sie zu stark, jedenfalls bin ich erst vor einer halben Stunde aufgewacht.«
»Allein?«
»Dumme Frage, selbstverständlich allein!«
»Erstens ist das nicht selbstverständlich, und zweitens bist du im Kielwasser von Klaus Brandt durch alle einschlägigen Vergnügungsschuppen gezogen!«
Tinchen hatte diesen Pfeil aufs Geratewohl abgeschossen, aber er traf!
»Ich wußte nicht, daß du mir nachspionierst!«
»Als ob ich nichts Besseres zu tun hätte! Aber der Brandt hat dich ja erst aufgelesen, nachdem ich ihm einen Korb gegeben hatte. Für so einen Hallodri bin ich mir zu schade!«
»Ich weiß gar nicht, was du gegen ihn hast.« Lilo trat vor den kleinen Spiegel und überprüfte ihr makelloses Make-up.
»Hat er dich schon mit seiner Tante bekannt gemacht?«
»Nein, zum Glück nicht. Alten Damen gegenüber habe ich immer Hemmungen.«
»Keine Angst, du wirst sie auch nicht kennenlernen. Die alte Dame dürfte vermutlich ein bißchen zu jung für ihren angeblichen Status sein.«
»Ich glaube, du bist ganz einfach eifersüchtig! Dir gefällt er nämlich auch!« trumpfte Lilo auf.
»Phhh!« machte Tinchen und wurde rot.
»Übrigens waren wir gar nicht zum Tanzen, sondern im Kino.«
»Ach nee! Zeigen die hier denn noch Stummfilme?«
»Du brauchst gar nicht ironisch zu werden! Verstanden habe ich natürlich kaum ein Wort, aber gesehen habe ich leider auch nichts. Im Kino brauche ich eine Brille, und die habe ich nicht über die künstlichen Wimpern gekriegt.« Schallendes Gelächter kam aus Tinchens Ecke. »Was ich an dir rückhaltlos bewundere, ist deine Ehrlichkeit. Wieso habe ich dich noch nie mit Brille gesehen?«
»Wenn man die Dreißig überschritten hat, verlangt die Selbstachtung den Verzicht auf eine solche! Aber den Zettel hier kann ich noch entziffern. Wer ist Herr Plümmlich, und was will er?«
»Das übliche! Meckert übers Essen, braucht aber Hosenträger, weil kein Gürtel um seinen Bauch paßt. Als er sich endlich aus dem Stahlrohrsessel befreit hatte, mußte ich hinterher die Lehnen geradebiegen.«
Lilo betrachtete das lädierte Möbelstück. »Jetzt sieht er aus wie ein Produkt der modern art.« Sie kam zurück und
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